Das lässt Sibylle Berg in ihrem Stück genauso offen wie zahlreiche andere Fragen. Die Autorin reflektiert die Gefahren des Fortschritts nicht nur, sie agitiert auch dagegen, mit ihrem Stück genauso wie als Initiatorin der Genossenschaft pep.coop, die vor den Gefahren der schönen neuen Welt warnt und auch ganz konkret etwas in der realen wie digitalen Welt dagegen unternimmt. Damit verlässt sie die neutrale und beobachtende Rolle einer Chronistin, die eine Entwicklung lediglich dokumentiert, und nähert sich einer inhaltlich, bisweilen auch ideologisch motivierten und episch gedachten Theaterkonzeption an. Berg bezieht mit diesem Stück Position, warnt in aufklärerischer Manier vor den Gefahren eines blindlings beförderten Fortschritts, der letztendlich in der Abschaffung der Menschheit gipfeln könnte.
Das klingt dramatisch, erweist sich in der weitgehend klamaukfreien Inszenierung von Ersan Mondtag, der auch das Bühnenbild entworfen hat, aber als erstaunlich zahm. Von einigen humorigen Momenten einmal abgesehen wird viel deklamiert: Die in Bergs Text eigentlich geschlechtslosen, in der Inszenierung aber schön traditionell als Mann und Frau formatierten Protagonisten halten Rückschau auf ihr Leben, eine dramaturgisch spannungsfördernde Entwicklung gibt es nur am Rande: einen Wettbewerb, durch den sich die Protagonisten ihren Platz im perfekten Dasein erst verdienen müssen. Die Pointe dieser Entwicklung freilich bleibt ein bisschen mau: Am Ende haben es doch alle geschafft. War der endlose Wettbewerb letztendlich also doch nur eine Beschäftigungstherapie? Ein gesellschaftliches Hamsterrad als Rettungsanker vor dem Horror vacui?
Die Gefahr durch diese Entwicklung jedenfalls ist real, dass macht dieses Stück deutlich. Die Roboter sind nicht etwa nur Maschinen. Sie sind sowohl in Bergs Text wie in Mondtags Inszenierung bei aller technischen Perfektion auch erstaunlich individuell, Macken und Schrulligkeiten inklusive. Die Menschheit 2.0 lässt grüßen. Umgesetzt wird das vom Kölner Ensemble jedenfalls mit außergewöhnlicher Intensität. Bruno Cathomas und Kate Strong gestalten die Entwicklung vom entmündigten zum überflüssig gewordenen Menschen in allen erdenklichen Facetten, auch mit der geradezu ernüchtert wirkenden Selbsterkenntnis, dass nun wohl doch alles vergebens gewesen ist.
Die Tatsache, dass Regisseur und Bühnenbildner Mondtag seine Protagonisten in einen museumsähnlichen Raum gesteckt hat, in dem vor allem sie und Variationen ihrer selbst bzw. ihrer Artgenossen ausgestellt sind, eröffnet Raum für viele hintergründige Spekulationen. Auch der aus fünf Robotern bestehende Chor (Sophia Burtscher, Jonas Grundner-Culemann, Elias Reichert, Sylvana Seddig und Nikolay Sidorenko), der in individualisierenden Kostümen von Josa Marx steckt, zeigt, wie vielschichtig man die Entwicklung sehen kann. Ansonsten gibt es nur wenige Bilder, die nachhaltig im Gedächtnis bleiben. Die Vermessung und Aussortierung der Menschen durch ihre digitalen Nachkommen etwa. Eine erschreckende Vision. „War’s das jetzt?“, fragen die beiden menschlichen Protagonisten in Bergs Stück am Ende. „Das war’s“, antworten die Roboter. Eine ernüchternde Bilanz: durch KI zum KO. Wird die Menschheit letztendlich ausgeknockt durch die von ihr erschaffene Künstliche Intelligenz? Diese Gefahr erscheint durchaus real.