Weil Saschas Mutter vom Stiefvater ermordet wurde, sitzt der nun im Knast. Als eine Zeitung ihn schuldbewusst winselnd zum Sympathieträger stilisiert, stürmt die traumatisierte Heldin in die Redaktion und beschwert sich bitterlich über diesen journalistischen Fauxpas. Die Vorlage entwickelt daraus ein Familienroman als Clash of cultures. Sascha verlässt ihre kaum noch Halt und Identität spendierende, desolate Restfamilie und zieht zum reumütigen Zeitungsredakteur – der bürgerlich wohlhabenden Ersatzfamilie. Ebenfalls eine Restfamilie, da durch Scheidung dezimiert. Gerade durch Saschas Augen dieses Milieu gespiegelt zu sehen, könnte interessant sein. Aber Siebelt nutzt die Situation vor allem für erotische Anziehung und moralische Abstoßung der beiden, getanzt im Flamenco-Stil. Ohne Happy End. Zuvor hatte es Sascha schon mit Sohn des Hauses probiert. Den Justus Ritter allerdings dermaßen verzappelt als Verklemmtheitskasper auf die Bühne legt, dass es nervt. Und der Entjungferungs-Slapstick auf dem Tisch weder lustig noch lustvoll wirkt. In diesem Hin und Her der jungen Frau zwischen Vater und Sohn verplempert die Aufführung all die anderen Angebote des Romans.
Was umso bedauerlicher ist, da als Hauptdarstellerin Anna Klimovitskaya gastiert, eine Studentin der Hamburger Theaterakademie. Dass ihr eine alberne Sams-Perücke verpasst wurde: egal. Dass ihrer Figur der Alltag genommen wurde, in dem sie ihre kleinen Geschwister beschützt: egal. Dass ihre Erinnerung an die Mutter auf eine Mamuschka-Figur im Strickkleid reduziert wird: egal. Und was die Regie noch so alles en passant verpuffen lässt: egal. Denn die Protagonistin interpretiert die Rollenzuschreibung „kratzbürstig“ so facettenreich, dass ihre zur Schau gestellte Lässigkeit und das Schutzschild Arroganz transparent werden für die Wunden und Schrunden ihrer Seele sowie die Kraftanstrengungen, der Trostlosigkeit unerschrocken zu trotzen. Beindruckend.