Es beginnt plausibel mit dem jungen Eddy (großartig wendig mit ausdrucksvoll kernigem und doch warmem Bariton und Sympathieträger: Tim Kuypers), der die Kunde zweier Wahrsagerinnen, dass er seinen Vater töten und mit der Mutter schlafen wird, nutzt, um endlich auszubrechen. Es erwarten ihn Streiks, Krawalle, Ausschreitungen. Im Streit tötet er versehentlich den Betreiber eines Cafés und wirft sich dessen Frau an den Hals – es wird die große Liebe. Nun wird es konstruiert und bleibt weit hinter der antiken Vorlage zurück: Weil die Sehnsucht nach den Eltern groß ist, besucht Eddy sie und erfährt, dass sie den Zweijährigen nach einer Schifffsexlosion mit seinem Teddybär gerettet haben. Da fällt es Eddy wie Schuppen von den Augen und bald ringt er lange mit sich, ob er sich wie weiland Ödipus die Augen ausstechen soll. Dank Kuypers wird daraus eine ergreifende Szene, auch wenn die Entscheidung dagegen und für ein neues Leben, dramaturgisch und im Text wieder gefährlich knirscht. Dass zwischendurch wie ein deus ex machina eine doppelte Sphinx erscheint – hier bedrohen Miranda Keys und Okka von der Damerau Teddy/Ödipus in aufblasbaren Venus-von-Milo-Kostüme wie Urmütter – macht wenig Sinn, wie man sich überhaupt zur Musik Turnages einen besseren Text und eine bessere Musikdramaturgie wünschen würde.
Wolfgang Nägele versucht in seiner Inszenierung zugleich, abstrakt zu bleiben, was die Schauplätze angeht, psychologisch aber und im Spiel sehr konkret zu werden. Also fahren auf Schienen laut quietschende alte rostige Gefährte auf die Bühne, in denen sich unter Eisenstangen sitzen oder auf ihnen herumklettern lässt (Bühne und Kostüme: Franziska Boos). Das ist schön gedacht, aber wenig praktikabel, obwohl Robert Bork (Dad/Café Manager/Polizeichef) seine Sache ebenso gut macht wie die manchmal sehr britisch erzkomische Miranda Keys (Mutter/Kellnerin 2/Sphinx 1) und die wie immer wunderbar samten klingende Okka von der Damerau (Ehefrau/Kellnerin 1/Sphinx 2).
Den Abend trägt neben dem exzellenten, subtil verschiedenste Tonfälle treffenden Staatsorchester unter Oksana Lyniv Tim Kuypers als Eddy: Denn diesem charismatischen jungen Bariton aus den Niederlanden glaubt man einfach alles, egal wie gespreizt, pathetisch oder platt anzüglich der Text ist und auch wie sperrig manchmal der Sprechgesang von Turnage anmutet.