Wahrheit und Wellness-Mystik
Das Problem an diesem Manegen-Lauf ist, dass er ziemlich schnell ziemlich langweilig wird. Das liegt vor allem daran, dass die durchaus liebenswerten Figuren immer dann aus dem Scheinwerferlicht flüchten, wenn es gerade spannend mit ihnen wird. Das mag Teil der Botschaft dieses Stückes sein: Die flüchtige Moderne läuft wie ein zu schnelles Zahnrad, und am Ende ist man grundlos tot, ohne sich wirklich kennengelernt zu haben. Aber als Zuschauer kommt man sich dabei vor, wie wenn man aus einem vollen Bücherregal nur die ersten Zeilen jedes Werkes liest: Man hat einen häppchenweisen Eindruck von allem bekommen, jedoch nichts tiefer verstanden.
Aber ist die Theaterbühne nicht dazu da, bedeutende Fragen nicht nur in den Raum zu werfen, sondern sie aktiv zu verhandeln? Auch und gerade, wenn das weh tut? Was in diesem flüchtigen Reigen fehlt, ist eine wirkliche Auseinandersetzung darüber, wie man es heute mit der Religion halten soll. Und wie man mit dem Tod klar kommen soll, dieser letzten, ultimativen Kränkung. Aber für die tieferen Konflikte bleibt das Spiel zwischen den Darstellern leider auf ein Minimum beschränkt. Nur einmal, da singt der hervorragende Chor ein Kirchenlied, und ein Atheist (Michael Weber) rastet aus, was der Scheiß soll mit Seele und Hölle und ewigem Leben. Ihm geht es um Wahrheit, während sich die Gesellschaft zur beruhigenden Wellness-Mystik an den Händen fasst.
Es mangelt an Jod, nicht an Gott
Es bräuchte mehr solcher Konflikte, mehr Dialoge, mehr Drama. Und weniger Fragmente, weniger Stückwerk, weniger Zapping durch die Ängste. Das hohe Potential des Ensembles wird so immer nur angeritzt, aber nie wirklich ausgespielt. Das zeigt sich in der zweiten, besseren Hälfte dieses Theaterabends: Bjarne Mädel, bekannt als „Tatortreiniger“ und Ernie aus der Serie „Stromberg“, spielt einen Depressiven, der sein Seelenheil im Kloster sucht, bis er vom Arzt erfährt, dass ihm nicht Gott, sondern lediglich Jod fehlt. Seine innere Hölle war nur eine Schilddrüsen-Unterfunktion. In ein paar Sätzen gelingt es der Autorin hier, die komische Tragik eines ganzen Lebens zu entfalten – und der Darsteller wirft so viel treuherziges Gefühl in den Monolog, das man seine Ratlosigkeit, aber auch die Erleichterung mitfühlen kann.
Karoline Bär und Michael Wittenborn glänzen hingegen durch aggressive Rotzigkeit, und Juliane Koren betreibt Erkenntnisphilosophie mit der Schnapsflasche in der Hand. Wie die Wirtin einer Bar voller einsamer Seelen, die über irgendwas mit Gott und Tod grübeln. Spielfreude und Qualität sind jedenfalls da – man müsste diese Protagonisten nur weniger grübeln und mehr miteinander spielen lassen.