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Wohlfühltheater

nach Eduard Mörike: Das Stuttgarter Hutzelmännlein

Theater:Schauspiel Stuttgart, Premiere:21.01.2017Regie:Hanna Müller

„Das Stuttgarter Hutzelmännlein“ nach Eduard Mörike. Es klingt ein wenig altbacken, was die junge Regisseurin Hanna Müller da am Schauspiel Stuttgart inszeniert. Wie das Hutzelbrot, dass der Schustergeselle Seppe von eben jenem Hutzelmännlein mit auf die Wanderschaft bekommt. Das Hutzelbrot ist – für alle Auswärtigen – ein Früchtebrot mit „verhutzelten“, also getrockneten Birnen, das Hutzelmännlein eine von Mörike ersonnene Märchenfigur: Ein sagenhaftes Männlein, auch Pechschwitzer oder Tröster genannt, das mit allerlei Zaubereien in das Leben der Menschen eingreift, manch einem Glück auf die Sprünge hilft. Wie dem Seppe, der seine Ausbildung schmeißt und sich mit besagtem Hutzelbrot und zwei Paar Glücksschuhen vom Hutzelmännlein auf die Reise begibt.

Unterwegs erlebt er – wie es sich für so eine Entwicklungsreise gehört – allerlei Abenteuer. Mörike verschränkt in seinem Kunstmärchen diverse Erzählstränge, die von der Seppe-Handlung zusammengehalten werden: Die „Historie von der schönen Lau“ und die Geschichten um Doktor Veyland bilden quasi die Vorgeschichte, werden innerhalb des Märchens erzählt. Am Ende kehrt der Seppe in seine Heimatstadt Stuttgart zurück, um hier das Glück zu finden, dass er auf der Reise vergebens suchte: Bei der Faßnacht begegnet er der Vrone wieder, einem Mädchen, das er von jeher aus der Nachbarschaft kennt Sie hat das zweite Paar Glücksschuhe gefunden, das der Seppe – wie vom Hutzelmännlein empfohlen – am Wegesrand zurückgelassen hat. Die beiden verlieben sich. Der Seppe musste weit gehen, um zu sehen, wie nah das Glück die ganze Zeit war.

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Nun ja. Was Intendant Armin Petras da ihm Rahmen seiner regionalen „Spurensuche“ auf den Spielplan setzt, ist wahrlich so sehr in dieser Stadt und ihrem Umland verortet, dass man sich als zugereister Zuschauer inmitten dieser schwäbelnden Aufführung beinahe wie ein Eindringling fühlt. Der Vorwurf, der Berliner würde sich auf Stuttgart nicht einlassen, scheint zumindest an diesem Abend völlig absurd. Wenn die Vrone in den Bopserwald zum Himbeerensammeln geht oder ein Gründungsmythos der Stadt Stuttgart erzählt wird, herrscht völliges Einverständnis im Publikum.

Hanna Müller und ihre Dramaturgin Anna Haas haben eine klug verdichtete Theaterfassung erstellt, die geschickt mit den verschiedenen Ebenen des Märchens spielt. Die Inszenierung setzt auf die Spielfreude ihrer starken Schauspieler, die mühelos von einer Rolle in die andere wechseln und es famos verstehen, auf der reduzierten Bühne viel zu erzählen Natascha von Steiger hat einen gigantischen, nach vorne geöffneten Kessel aus hölzernen Flicken auf die Bühne gebaut, der an den Blautopf gemahnt, dieses mythisch umwobene Wasserloch in Blaubeuren, in dem die schöne Lau haust. Auf die Wände des Kessels kann man klettern und allerlei Filme und Bilder projizieren wie die Fische im Blautopf oder die fliegenden Schuhe, als das Hutzelmännlein in der Schusterei sein Unwesen treibt.

Manja Kuhl turnt als schöne Lau in einem schwebenden Ring, der ihr die Illusion von Schwerelosigkeit ermöglicht, wie es sich für eine Wasserfrau gehört. Dann wieder ist sie die Vrone, die von ihren neuen Schuhen zu herrlich komischen Tanznummern genötigt wird. Christian Czeremnych spielt den Seppe als einen, der durch sein Leben stolpert, immer mit vollem Einsatz dabei, um doch immer wieder von vorne anzufangen, bis er schließlich bei Vrone zur Ruhe kommt. Felix Mühlen zeigt das größte komische Talent, er spielt von der Wirtin am Blautopf bis zum geschlachteten Schwein alles, und alles mit einer grandiosen Leichtigkeit. Die Live-Musiker spielen immer wieder zum wilden Treiben auf – wenn sie „Hei, was bin i für a lustiger Bua“ anstimmen, ist die Stimmung kurz vorm Schunkeln. „Das Stuttgarter Hutzelmännlein“ ist Wohlfühltheater ohne Irritationen. Da tut nichts weh. Gut gemachte Unterhaltung. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.