Mit dieser Abstraktion gelingt es Brüesch, ihren Figuren nicht der Lächerlichkeit preiszugeben und auch die Phrasen, die ständig gedroschen werden, nicht zu denunzieren, sind sie doch auch wieder hoffähig, wie eingeschmuggelte Sätze von AfD-Politikern zeigen. Zwar wird bewegungsmäßig Axel Röhrle als der dumm-gefährliche Rosloh manchmal in total verkrampfte Posen getrieben, aber, da es Röhrle gelingt, die Gefährlichkeit seiner Figur auch in solchen Situationen aufblitzen zu lassen, wirkt es nicht verharmlosend. Auch sonst überzeugt Brüesch mit klugen Einfällen. So lässt sie z.B. bei der Vergewaltigung von Siegelmann ein Video laufen, in dem ein Reh auf das Geschehen herab blickt und kommentierend nickt: Tiere staunen, was der Mensch den Menschen antut. Und da können sie nur staunen, was Julian Härtner aus seiner Rolle als Karlanner macht: grandios wie es ihm gelingt, die Verführbarkeit durchlässig zu machen, wie Skrupel ihn denn doch nicht zum überzeugten Mitglied der Bewegung machen lassen, das ist so klar, wie einfühlsam heraus gearbeitet. Oder Johanna Link als Helene, deren anfängliche Überlegenheit sich in tiefe Verzweiflung verwandelt. Aber auch André Rohde als Tessow, Gideon Maoz als Siegelmann, Tomasz Robak als Anführer und Odo Jergitsch als Geheimrat Max machen ihre Figuren wunderbar transparent. Da ist den Konstanzern ein großer Wurf gelungen, weil hier wirklich alles ineinandergreift, Spiel, Bild, Musik (Christian Müller), die die Privatszenen mit ganz leisen Klängen begleitet und dann wieder zu harten Beats greift, und Bewegung. Gerade auch dieser Chor verdeutlicht, dass das alles nicht vorbei ist, die Faszination vor der großen Gemeinschaft.
Erstaunlich, welchen guten Lauf in dieser Spielzeit das Theater Konstanz hat.