Georg Schmiedleitner räumt erst mal den Kulissen-Realismus der Entsteher-Jahre beiseite. Bühnenbildner Florian Parbs baute einen Kunstraum, der von hunderten Neonröhren (bei Bedarf flackernd wie ein Gewitter, das sich in der Stube entlädt) umschlossen ist, aber in diesem Rahmen wird unbeschwert Volldampf-Theater gespielt. Nicht ohne relativierende Klangwolke, denn am Szenen-Rand agiert Maike Hilbig allzeit präsent mit ihrem Kontrabass als lebender Soundtrack, macht so Geschmacksverstärkung für Szenen-Zuspitzungen. Manchmal, wenn sie zu laufenden Dialogen weiter zupft oder streicht, wirkt das wie ein Untersetzer zur Vermeidung von Naturalismus-Flecken. Im Hintergrund ist mit ungebremster Metaphern-Wucht ein Eisblock-Altar voller Whisky-Flaschen aufgebaut, dort wird Verzweiflung on the rocks zur Selbstbedienung angeboten.
Der verlorene Lieblingssohn Brick mit dem gebrochenen Knöchel, gefangen in der Erinnerung an eine (jaja, 1955!) „nicht schmutzige“ Männerfreundschaft und eingeklemmt zwischen Über-Vater und dominanter Ehefrau, ist dort klimpernder Stammgast. Stefan Willi Wang spielt ihn feinfühlig als melancholisches Opfer, bezwingend in seiner stillen Trauer und dem diffusen Ekel vor der verlogenen Welt, die ihn ja doch aufsaugen wird. Dass er den Ex-Sportler, der da mit Krücke und Schnapsglas um sein inneres Gleichgewicht kämpft, zur artistischen Hüpf-Nummer auf einem Bein ausbaut, ist dann einfach zu viel des Gewollten. Josephine Köhler wird ihrem Ruf als Offensiv-Schauspielerin wieder mal gerecht, indem sie die ehrgeizige Maggie als schnatternde Nervensäge vorführt und danach mit allen Reizen von Bosheit und Erotik funkeln lässt. Dass sie mit manikürten Krallen auf allen Vieren über den Boden kriecht, weil sie ja schließlich „die Katze“ ist, geht aufs Regie-Konto der Überdeutlichkeiten. Darunter leidet Elke Wollmann am meisten, denn die entmachtete Glucke, die sie als Big Mama im glaubwürdigen Ton der Unverbesserlichen spielt, führt die Inszenierung mit ausgestopften Hüften vor – so als ob der unflätige Trump-Tonfall des frauenverachtenden Haustyrannen bestätigt werden müsste. Dabei ist der Big Daddy von Michael Hochstrasser geradezu ein Mahnmal der Gestrigkeit, glasklar im Egotrip bis zum unvermeidlichen Abstieg.
Da wird es nochmal richtig metaphernselig und dazu versenkungsfreudig in Schmiedleitners Rundum-Regie. Daddy und Mama steigen die hinteren Stufen hinab (es dampft von dort und man erinnert sich an den vorherigen Dialogsatz beim Familienstreit , der sarkastisch lautete „Öffne die Tür zur Hölle, damit Luft reinkommt“), danach fährt die Bühne steil hoch für die absurde Verklärung von Brick und Maggie. „Love me tender“ gibt der zugespielte Elvis dem amerikanischen Traumpaar auf dem Weg nach oben oder wohin auch immer mit. Ach ja, die USA. Ach nein, Schauspielregie mit Opernaroma. Das Publikum der ausverkauften Premiere feierte die Schauspieler lautstark, den Regisseur auch mit – und ging dann schnell. Nach einem Comeback für Tennessee Williams sah es nicht aus.