Katja Brunner hat für ihr drittes Stück fürs Luzerner Theater – der Intendantenwechsel von Dominique Mentha zu Benedikt von Peter ist für die ehemalige Hausautorin also kein harter Bruch – die Schweiz ins Visier genommen. Soviel ist mal klar. Auch klar sind die verschiedenen Ebenen, die sich aus dem nüchternen, bonmot-gesättigten Provinzler-Setting herausschälen. Als strukturierendes Gerüst dient ein assoziatives, vom Rednerpult verkündetes Alphabet: Von „kein Adolf Hitler“ über „Enzian, Euthanasie, Europafrage“ und der letzten Hexe (Anna Göldin, noch 1782 in Glarus hingerichtet) bis zum Zürcher Reformator Zwingli. Dazu kommt die gegenüber dem Stücktext ziemlich zusammengestrichene Fabelebene des Igels (eine Rolle, die Verena Lercher übernimmt) – ein Selbstbild der Schweiz, seit ihre Armee an der Landesausstellung 1964 in Lausanne sich als Betonigel darstellte. Erkennbarkeit durch Verfremdung, wobei die Tiermetaphorik durchaus auf die Spitze getrieben wird, wenn der schlaue Igel trotz schlechten Sinnen erfolgreich mit den Gefährlichen paktiert und den Kleinen nicht nur mit seinen Stacheln, sondern auch mit Dampfwalzen droht. Und dann ist da auch noch das Heidi als Symbolfigur. Ihr Geissenpeter ist längst weg – und auch Yussuf, offenbar so etwas wie sein Nachfolger, wird gerade ausgeschafft.
Als Autorin kann Brunner das schön voneinander absetzen. Regisseurin Christina Rast verwebt die verschiedene Stränge und Abstraktionsebenen mit drei Schauspielern und einer DJane (die Kuhglocken, Jodel und exotische Gesänge zusammenmixt) hingegen eng. Sie nutzt die temporäre Holzbox mit ihrem Fenster hin zur pittoresken Altstadt und der Reuss, um Theaterinnen- und Touristen-Aussenwelt zusammenzuführen. Aber sie lässt ihre Darsteller viel zu oft einfach dozieren.
Das verstärkt den Eindruck einer losen Assoziationskette. Bis Sofia Elena Borsani zu Heidis wütend-ratlosem Schlussmonolog ansetzt und das apfelkauende Naivchen plötzlich fulminant „Schämt euch!“ ins Publikum schmettert. Zwar nimmt die folgende Beisetzungszeremonie dieser „Kündigung“ einen Teil seiner wütenden Kraft, trotzdem verlässt der Text hier (endlich) seine zeitgeistig ironisch-zynische Grundhaltung und bezieht Stellung. Bis dahin dauert es allerdings, auch wenn der ganze Abend in knapp 90 Minuten vorbei ist.