Ensembleszene

Am Anfang aller Dinge

Nanine Linning: Khôra

Theater:Theater und Orchester Heidelberg, Premiere:12.11.2016 (UA)Komponist(in):Michiel Jansen

Phantastisch, kosmisch, phänomenal – Nanine Linnings Uraufführung „Khôra“ am Heidelberger Stadttheater ist ein Werk tänzerischer Schöpfungsenergie! Benannt nach jenem Ort, in dem Platon den Entstehungspunkt der Elemente Wasser, Erde, Feuer, Luft und Äther sah, bildet der titelgebende Raum genügend Freiheit, um ihn mit aller tänzerischen Verve zu erschließen: Am Anfang ist da nur ein Pochen, ein noch kniender Mensch mit einem durchsichtigen, überdimensionalen Herz. Während über die gesamte, abgedunkelte Bühne weiße Partikel als Projektion flimmern, richtet er sich auf. Und der Moment der Schöpfung, das Zusammenspiel der Kräfte beginnt. Monumentale bis archaische Elektrosounds (hervorragende Komposition: Michiel Jansen), Regen- und Feuergeräusche umfassen ein Wechselspiel zwischen Solo-, Duo- und Gruppentänzen. Mal fügen sie sich den Melodien, mal widerstreben sie ihnen. Nur was sich in der Spannung hält, bleibt im vitalen Werden befindlich.

Von anmutigster Schönheit erweist sich dabei der thematische Tanz zur Luft. Mit wallenden Kleidern und zu einer Art Urgesang bilden Brecht Bovijn und Marie-Louise Hertog eine geschmeidige Dyade, ganz den von den seitlichen Bühnen herkommenden Winden überlassen. Kurz darauf folgt die Dunkelheit. Die sich dehnenden und einander wiegenden Körper werden zum Teil einer illuminativen Choreografie. Mit kleinen Lichtlämpchen auf den Köpfen durchbrechen sie die kosmische Dunkelheit. Nur Formgebung führt aus ihr heraus. So auch in einer weiteren Szene, in der wir in das Universum schauen. Sterne ziehen an uns vorüber, verdichten sich, bis so etwas wie eine Masse zustande kommt.

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Aufbau und Entladung, Bezug und Entzug stellen die Pfeiler dieser großartigen, multimedialen Inszenierung dar. Ihr Schlussbild steht im Zeichen der Vollendung. Wie alles mit anarchisch durcheinander gewirbelten Partikel begann, so endet alles wieder mit ihnen. Nach einem letzten Solo ziehen sich die Partikel sogartig auf einen Punkt zusammen. Es ist vollbracht. Aus der Anarchie wird Ordnung und Leben. Großes Leben!