Wie gut, dass es Cathrin Störmer gibt. Eigentlich müsste man das Stück umbenennen in „Die Leiden der Josephine“: Denn ganz offenbar hat sich Reto Finger hauptsächlich für Farinets Gefährtin, Geliebte, Verbündete und Fluchthelferin interessiert. Diese Josephine verkörpert alle Leidenschaft, alles Pathos, das Nicola Mastroberardinos Farinet völlig abgeht: Der Schauspieler sieht mit seiner dunklen Lockenpracht zwar aus wie ein Bilderbuchheld, doch seine Ausstrahlung ist eher die eines Buchhalters. Wenn er sich am Ende anschickt, sein offenes Wildererhemd gegen die dörfliche Tracht zu tauschen, ist er eigentlich auf dem goldrichtigen Weg: Und man fragt sich vergeblich, warum er sich dann doch nicht den Behörden ergibt und nach einer sentimentalen Abschiedsrede an die Welt reglos im Lärm der Gewehrsalven steht – vermutlich, weil es so im Buche steht.
Nein, es ist allein Cathrin Störmer, die diesen Abend vor dem gemütlichen Dahindümpeln in modisch und musikalisch leicht angeschrägter – den ironischen Gestus hätte man deutlich verstärken müssen – Bergromantik rettet. Schon ihr erster Auftritt, bei dem sie Farinets Flucht aus dem Gefängnis von Sion imaginiert, hat es in sich. Und wenn ein junger Landjäger sie bis auf den Slip buchstäblich leibesvisitiert und sie dann zitternd dasteht vor Scham und wie diese Scham umschlägt in unbändige Freude, dass man nichts gefunden hat bei ihr: Das ist ein Augenblick von großer Intensität. Und wie sie dann erkennen muss, dass ihr Angebeteter sie nur benutzt hat und dabei ist, sich in eine sehr viel Jüngere zu verlieben, die Tochter des Gemeinderats (sehr wandlungsfähig: Leonie Merlin Young) und sie ihr Gesicht in Falten erdwärts zieht: Da scheint das Drama der betrogenen Frau in seiner ganzen hässlichen Gemeinheit und Trostlosigkeit auf.
Der Balser Hausregisseurin mag diese Verlagerung des Fokus von der politischen Frage nach der Freiheit des Einzelnen und ihren Grenzen zu einem Liebes- und Eifersuchtsdrama entgegengekommen sein. Der einzige Aufschrei ihrer Inszenierung gehört jedenfalls Cathrin Störmer, die – als Zugezogene – am Ende aus dem engen Dorf vertrieben wird und ihre Einsamkeit verzweifelt auf Italienisch heraussingt. Da lebt Farinet noch – aber wer interessiert sich schon für ihn.