Gezim Myshketa besitzt für den Riccardo nicht nur eine vitale Bühnenpräsenz, die zwischen gefährlichem Furor und komödiantischer Verve hin und her schwanken kann, sondern auch einen kernig auftrumpfenden, ebenso schönen wie mühelos auch im Piano trgfähigen Bariton. Im kriegerisch delirierenden Duett mit dem nicht minder exzellenten – und herrlich komischen – jungen Bassisten Adam Palka als Onkel Elviras, der Riccardo erfolgreich überredet, mit der Rache an Arturo zu warten, bis er ihn im Kampf töten kann, findet der zweite Akt einen prall effektvollen Abschluß.
Anna Viebrock hat für diese Zeitreise eines ihrer schönen, die Jahrhunderte übergreifenden Rätsel-Bühnenbilder gebaut. Alle drei Wände können sich bewegen und gegeneinander verschieben; im Hintergrund gibt es einen zweistöckigen quasi historischen Abschluss, ein gewaltiger Eisenträger durchschießt den Raum und stellt auch schon einmal eine Brücke dar. Berühmte historische Gemälde dienen zur Demonstration oder zum Versteck. So ist die Einheitsbühne Seelenraum und historisches Vexierspiel, in der alles zu allem kommen kann.
Im Zentrum der Handlung steht die junge Elvira in Gestalt der zugleich zart und höchst erfüllt singenden Ana Durlowski, deren lyrischer Koloratursopran auch in der Mittellage einen klingenden Körper besitzt und in der Höhe nie spitz klingt. Wenn sie in ihrer großen Wahnsinnszene von tiefem Schmerz und Leiden singt, spielt sie das mit großer, heiterer Leichtigkeit: was für ein berührender Kontrast, von Wieler/Morabito auch sonst immer wieder aus Partitur und Text gekitzelt. Edgardo Rocha als Arturo meistert seinen filmreif exaltiert komischen ersten Auftritt ebenso fulminant wie die Rückkehr als gebrochener Mann am Blindenstock, dem Elvira nun übel mitspielt. Seinen leichten und doch substanzreichen hohen Tenor vermag er auch im hohen zweigestrichenen D – oder gar noch höher – ohne Brunftgeschrei zu meistern, sondern fein im Pianissimo anzusetzen.
Doch noch so fähige Sänger des Bel Canto, die bis auf Edgardo Rocha aus dem Ensemble der Staatsoper Stuttart kommen, könnten ohne Musiker nicht triumphieren, die bei Giuliano Carella am Pult des Staatsorchesters Stuttgart Phänomenales leistet, das ganz selten zu laut ist, immer in den richtigen flexiblen Tempi agiert und mit einer bewundernswerten Aura die „melodie lunghe, lunghe, lunghe“ (so Verdi voller Bewunderung) spielt, dass man am Ende selig das Opernhaus verlässt.