Grandios die Bühne dafür: Das Künsterduo Petra Bachmaier und Sean Gallero („Luftwerk“) sowie der Licht-Designer Benedict Zehm erschufen einen dreifach gestaffelten Raum, in dem die Figuren nach hinten immer unschärfer werden. Flexible Projektionen von Rahmen teilen diesen Raum immer wieder, lassen auch schon mal virtuelle Gefängnisse entstehen; grünes Licht assoziiert die Nachtsicht-Videos, wie wir sie aus aktuellen Kriegen kennen, und erzeugt zusammen mit dem Linienspiel einen beunruhigend unwirklichen 3D-Effekt.
Mit ihren opulenten Kostümen in gold-weiß zizilierter Pracht werden die Protagonisten zwar weit in eine (Theater-)Historie entrückt, kommen uns singend aber ganz nahe. Das liegt auch an der Mezzosopran-Intensität der Kolumbianerin Adriana Bastidas-Gamboa als Amazonenkönigin am Rande des Nervenzusammenbruchs (und ihren beiden Schatten Leela Subramaniam und Hanna Herfurtner) sowie (neben Joshua Owen Mills und Frederic Jost als seinen Schatten) herausragend der Franzose Edwin Crossley-Mercer als einem in jeder Hinsicht attraktiven griechischen Heerführer Achill, dessen junger Bariton ungemein verführerisch schilleren konnte. Er tut es ganz im Sinne des Credos aus der Feder des Komponisten: „Die Musik soll die Leute dazu verführen, etwas zu mögen, was sie eigentlich nicht mögen sollten.“
Immer wieder bricht die Botin zu Beginn der vier Teile den Zusammenhang der Handlung auf. Am verrücktesten geschieht das wohl in der Erzählung von der Erfindung einer münchhausenschen „Bombenpost“, die Kleist 1810 satirisch und antimilitaristisch in seinen „Berliner Abendblättern“ proklamierte und die hier in ihrer Vorwegnahme des Telegraphen von Hildegard Schmahl genüsslich und leichthin gesprochen wird. Aber auch das Kleist’sche Brief-Zitat, das darüber spekuliert, wie wir die Welt sähen, hätten wir statt Augen grüne Gläser, bekommt im Zusammenhang mit dem Grün, das ein Nachtsichtgerät erzeugt, eine ganz eigene Bedeutung. Zu Beginn des vierten Teils singt die Botin dann sogar zusammen mit Achill und seinen Schatten ihre Text-Collage ganz im Sinne Brecht/Weills.
Am Ende erschafft sich Penthesilea singend in einem vierfachen „So“ einen Dolch aus Worten (und Tönen), um sich das Leben zu nehmen, nachdem sie ihren geliebten Achill nicht nur getötet, sondern zusammen mit ihren Hunden gar zerfleischt hat. Leider traut Hauke Berheide der niederschmetternden Kraft dieses Ende nicht und lässt das „So“ geflüstert noch einige Zeit in Dolby Surround durch den Raum geistern. Aber das ist auch schon der einzige winzige Makel an diesem spannenden, intensiven, lehrreichen Abend.