Franzobel mag die Entbürdung und Entpflichtung der Menschheit von der Reproduktion als komische Volte konzipiert haben. Aber sie bleibt matt in einer Produktion, die im Übrigen Rulers Brave New World ironiefrei in Szene setzt. Die kläglich dargestellten Oppositionellen werden tendenziell denunziert. Carlus Padrissa skizziert die Wohnästhetik und die Machtzentralen der Weltelite in gelegentlich leicht erzitternder Latten-Architektur, die bestenfalls am benachbarten Busbahnhof Maß genommen hat. Besonders atavistisch: Ein Pappraketenstart. Grotesk prüde: die biedere Choreographie keuscher Freudenmädchen von Mei Hong Lin. Es gibt, wenn ohnedies aufwendig mit Video-Zuspielungen hantiert wird, doch keinerlei Zwang, feurig-wuchtigste Energieentladung und andere weibliche Triebkräfte in derartiger Weise gefiltert-quasinaturalistisch zu zeigen.
In musikalischer Hinsicht sorgte Eggert für einen gemischten Satz. Die reichlich aufgetragene Sättigungsbeilage der Nummernoper rührt vom Musical her, insbesondere von Fortschreibungen des amerikanischen von Kurt Weill. An Schikaneders Volkstheater und dessen Königin der Nacht knüpft die Partie der Mondkult-Hohenpriesterin Chang’e an – Mari Moriya bestreitet sie herausragend mit dem großen Ambitus und der Wucht ihrer Stimme. Rhythmische Impulse speisen sich aus den verschiedensten Modellen des 20. Jahrhunderts – weißem Jazz, Barmusik und Rap. Ausladene Orchester-Episoden prunken mit Quasi-Zitaten aus Wagners „Ring“ und dem „Rosenkavalier“ von Strauss. Hier hatte Dennis Russell Davies Gelegenheit, das Bruckner-Orchester Hochleistungsantennen und Sonnensegel für die Geisterfahrt ausfahren zu lassen. Einen neuen Bund mit Gott besiegelt schließlich die von einem Kleinen Prinzen angeführte Hymne für eine Welt ohne Angst, Altern, Aggression und Alternativen („Kitsch, Hilfsausdruck“ würde der Krimiheld Simon Brenner des österreichischen Krimiautors Wolf Haas womöglich sagen, falls er sich ins Musiktheater am Volksgarten verirren müsste). Terra Nova – Neuland ist das alles nicht.