Foto: Szenen aus "Dorfdicso" © Inka Lotz
Text:Ute Grundmann, am 3. April 2016
Mandy ist ein Fernsehsternchen – sie hat eine Rolle in einer Soap und ein Nacktfoto im Internet. Jetzt steht sie in der Disco ihres Dorfes, die ihrem Vater gehört, die nur noch aus zusammengewürfelten Stühlen besteht. Auf die setzt sie, aus einem Plastiksack, Plüsch-Hase, -Bär und -Tiger, als könne sie so ihre Kindheit wiederfinden. Denn damals ist sie weggegangen, ohne „Tschüss“ zusagen, weil sie es sonst nicht geschafft hätte, wegzukommen. So beginnt Lisa Sommerfeldts Fünf-Personen-Stück „Dorfdisco“, das sie als Auftragswerk des Landestheaters Eisenach geschrieben und auf das kleine Ensemble zugeschnitten hat. Inszeniert hat die Uraufführung Boris C. Motzki, stellvertretender Intendant und Schauspielchef in Eisenach. Er läßt auf der Vorbühne vor dem Eisernen Vorhang spielen und gibt als Bühnenbild nur eben jene Stühle mit. Von Discoflitter ist man hier weit entfernt.
Doch der Empfang für Mandy (Dagmar Poppy) ist alles andere als herzlich: Der Vater will sie gar nicht reinlassen, Bruder Till ist aggressiv und will wissen, wieso sie überhaupt wiedergekommen ist. Das weiß Mandy wohl selbst nicht so genau, vielleicht, um die Liebe zu finden, was ihr im Fernsehen, aber im Leben nicht gelingt.
Soweit zeigt das Stück für Zuschauer ab 13 Jahren erst mal ein Stück Provinz, in dem lauter Verlierer klarkommen müssen. Da ist der Vater (Gregor Nöllen), der nur in der Vergangenheit und für seinen (unsichtbaren) Hund Püppi lebt, der genauso gerne ausbüxt wie sein Herrchen. Da ist Mandys Till (Istvan Vincze), eingeschüchtert, der sich um den Vater kümmert du wenig Zukunft für sich sieht. Der Max von Roman Kimmich ist das pure Dorf-Macho-Klischee Und Nina (Jannike Schubert) trägt ständig (Achtung! Kinderwunsch!) ein Babyfläschchen mit sich herum, an dem sie nuckelt. Da wechseln die Liebes-Konstellationen, man streitet und träumt, hofft und erinnert sich – Motzki erzählt das geradlinig am Text entlang. Das Lied „Bella ciao, bella ciao, bella ciao ciao ciao“ gibt, mal rockig, mal schnulzig, der Inszenierung einen gewissen Rhythmus und lässt die Sehnsucht nach der Fremde schmecken. Allerdings schmeißt sich Motzki mit Disco-Flimmer und –Gezappel auch mal an sein jungen Publikum ran.
Doch diese Rückkehr-ins-Dorf-Geschichte reichte Lisa Sommerfeldt nicht für ihr Stück, sie zieht noch eine zweite Ebene ein: Die der abwesenden Mutter Gisela. Wenn sie davon erzählt, greift Mandy zum Mikrophon und referiert die Vergangenheit. Was erst fast romantisch klingt („sie verschwand durch die Mauer“), entpuppt sich als Stasi-Geschichte von Haft, Zwangsausbürgerung mit neuem Mann, aber ohne ihre Kinder, dazu eine Verpflichtungserklärung des Vaters, um eben diese zu schützen (die notwendigen Begriffe erklärt das Programmheft für die jungen Zuschauer in einem Glossar). Und was Mandy da immer wieder zwischen die Szenen streut, wird vom Vater später noch mal wiederholt: „Wir waren die Zukunft.“ Das überfrachtet das kurze Stück, dessen Figuren ohnehin ziemlich blass bleiben und in dem vieles nur angerissen wird. Am Ende macht ausgerechnet Max das versteigerte Haus besenrein und abbruchreif und Mandy entschwindet, wie sie gekommen ist: Im Nebel durch die Tür im Eisernen Vorhang.