Foto: Szene im Oval aus "Copernicus" im Festspielhaus Hellerau in Dresden. © Hagen König
Text:Ute Grundmann, am 4. Oktober 2015
Hier dreht sich alles um Kreise. Die Zuschauer sitzen inmitten der Orchestermusiker, die sich um sie herum bewegen. Jeder der fünf Akte soll sich zu einem Kreis schließen. Und die Klänge mäandern zuweilen durch den Saal wie Himmelskörper auf ihrer Bahn. Eine „Opera spaziale in 5 Akten für Sänger, Sprecher, großes Orchester und Elektronik“ nennt der Komponist Oliver Korte seine erste Oper „Copernicus“, die von den Landesbühnen Sachsen uraufgeführt wurde.
Das Musiktheaterstück ist ein Auftragswerk der Landesbühnen, der Elbland Phiharmonie Sachsen und des Europäischen Zentrums der Künste Dresden in Hellerau. Dafür ist das Theater aus Radebeul ins Festspielhaus Hellerau umgezogen, das einen hohen, schmalen, weißen, imposanten Saal bietet. Hier herein haben Stefan Weil und Paul Bauer (Ausstattung) ein Oval mit zwei Ebenen gebaut. Unten sitzen nebeneinander die Streicher, darüber stehen, gehen und spielen die Bläser. Im Oval sitzen die Zuschauer und in deren Mitte steht, quasi als Sonne, ein rundes Podest für Harfe, Laute und Dirigent, um das die Darsteller kreisen. Soweit die technische Aufstellung des Werkes, das mit einem Donnerschlag beginnt: Mit einer mächtigen Bläserfanfare, in die das auf drei Orte verteilte Schlagwerk einstimmt, ehe sich in die dunkel-mächtigen Klänge erst sanftere Bläser, dann weiche Trommeln mischen. Dann betreten ein Mann und eine Frau in langen, dunklen Gewändern die Szene; Copernicus (Kazuhisa Kurumada mit wunderbar weichem Bariton) singt lateinisch, eine Sprecherin (Sarah Bauer) steuert den deutschen Text bei.
Oliver Korte, 1969 geboren, nennt als Grundlage seines Werkes das Buch „Über die Umläufe der Himmelskreise“ von 1543 von Copernicus, der mit seinen Studien und Erkenntnisse die Erde (und damit den Menschen) aus dem Zentrum der Schöpfung rückte. Auf dieser Basis entwickelt der Komponist Tableaus aus Worten und Klängen, das erste gilt Copernicus, der mit O-Tönen und Fotos von Albert Einstein und Thomas Bernhard konfrontiert wird. Aber auch die Zeit der Pest wird thematisiert, als Kontrast werden mit „schöner Stimme“ (Stephanie Krone, Sopran) die Schrecken der Pestilenz besungen – in der Julia Capulet und Torquato Tasso sich nach Liebe sehnen. Oder der Inquisitionsprozess gegen Giordano Bruno wird Thema eines solchen Tableaus.
Zu Beginn jedes der fünf Akteure wandern die Bläser ihren oberen Teil des Ovals entlang, gemächlich und ziemlich bedeutungsschwer. Doch auch die Klänge lässt Korte im Raum wandern, sich mischen mit elektronischem Flüstern und Raunen, mal weiten sich Streicher, Bläser und Schlagwerk zu Melodien, mal setzen sie nur kurze Akzente. Mit der Zeit allerdings werden die Szenen immer textlastiger, die (nicht immer verständlichen) Zitate werden von schlicht „Sprecher“ genannten Darstellern vorgetragen (darunter Landesbühnen-Intendant Manuel Schöbel).
Als Dirigent und Regisseur dieser „Raum-Oper“ hat Jan Michael Horstmann die Fäden in der Hand, in der Mitte stehend dirigiert er in alle Richtungen; die Inszenierung kommt aber, angesichts der Raum-Situation, kaum über das vorsichtige Bebildern der Tableaus und Arrangement der Auf- und Abgänge hinaus. Kortes Musik überzeugt immer dann am meisten, wenn sie zum Raum-Klang wird, zum Fluß aus Tönen, in den sich immer wieder Puls-Schläge mischen. Am Ende der zweistündigen Aufführung leuchtet dann der Sternenhimmel aus der Villa Stuck von den Wänden und in zartes Geigensirren klingt die Stimme Neil Armstrongs bei Mondlandung 1969 herein.