Foto: "Francesco" am Staatstheater Cottbus © Marlies Kross
Text:Ute Grundmann, am 20. September 2015
Der heilige Franziskus spricht kein Wort. Nur einmal ahmt er Vogelstimmen nach, zusammen mit anderen Mönchen. Ansonsten bleibt der hier „Francesco“ Genannte stumm, muss mit Gesten, Symbolen auskommen. Ebenso wie fast alle Figuren in Jo Fabians „Sinfonischem Bildertheater“, das er für das Staatstheater Cottbus entworfen hat. Wie immer in seinen Produktionen ist er neben der Regie auch für Bühne, Video und, zusammen mit Annegret Thiemann, für die Choreographie zuständig und schickt sein Publikum auf eine knapp zweistündige Bilderreise.
Die beginnt mit dem langen Krankenlager Francescos (Michael von Bennigsen), von Priestern und Nonnen umsorgt; Bettler und Aussätzige kriechen am Boden; über der Szene erscheint eine Jesus-Figur mit Dornenkrone. Von den Kranken auferstanden, verschenkt Francesco seine edle Jacke ebenso wie klimperndes Geld, schaut und zeigt immer wieder zum Himmel hinauf. Dann wieder bevölkert Fabian mit großem Aufwand die Bühne (weiße Wände mit schmalen Fenstern, ein Turm): Edel- und Kirchenleute wandeln auf einem Steg, aufwendig gestylte Aussätzige liegen darunter, oben wacht schon mal ein Soldat, der einen abgeschlagenen Kopf hält. Das wirkt mal wie Meditationstheater – wenn Francesco minutenlang in Stille und Stillstand verharrt. Dann wieder werden die Zuschauer mit Emotionen überrollt und überrumpelt. Das liegt vor allem an der Musik des polnischen Komponisten Henryk Mikolay Górecki, die diesen ersten Teil prägt. Es ist seine „Sinfonie der Klagelieder“ von 1976, die vor allem als breiter, weicher Streicherteppich daherkommt, mal dunkel, mal heller und sehnend. Darüber schwebt immer wieder die Stimme der Maria (Debra Stanley mit wunderbar warmem, hellen Sopran), die eine Marienklage singt, aber auch Zeilen aus einem Gestapokeller in Polen. So erzählt Fabian in 70 Minuten vom Leben und Sterben des Franz von Assisi, aber man muss die Mythen und Legenden schon kennen (oder im Programmheft nachlesen), um sich in dieser Assoziationskette mit tanzenden Jesusfiguren und rituellen Bewegungen halbwegs zurecht zufinden.
Nach der Pause, im sehr viel kürzeren zweiten Teil, wird es dann sehr plakativ. Da schwebt Francesco an mit großen Steinen beschwerten Ketten gekreuzigt über der Festtafel einer erstarrten Gesellschaft. Kellner schenken nach, ein Bettelmönch zieht in Zeitlupe am langen Tisch vorbei. Dazu erklingt Gavin Bryars‘ „Jesus Blood Never Failed Me Yet“ – ein scheinbar endlos wiederholter Refrain eines Obdachlosen (der Gesang klingt wie von einer alten Schallplatte), in den sich der im Saal und im Rang effektvoll platzierte Chor immer wieder (ein)mischt. Das ergibt einen schönen Raum-Klang-Effekt, ist aber eben das: Effekt. Zum letzten Teil, zur Filmmusik von John Debney, steht der Chor dann hinter der Tafel, dahinter erscheint eine apokalyptische (Video-)Szene und aus sanften Harfenklängen wird eine laute und bombastische „Resurrection“, die Auferstehung.
Das alles ist opulent und bisweilen bildmächtig, kommt aber zu keiner wirklichen Aussage. Es ist eine, Jo Fabians, geschlossene Assoziationswelt, ein Kosmos, in den der Regisseur sich eingesponnen hat, in dem aber nicht wirklich Raum für andere Gedanken bleibt. Bei allem szenischen und musikalischen Aufwand (das Philharmonische Orchester des Staatstheaters unter Evan Christ kostet alle Effekte aus) bleibt diese Franziskus-Legende doch seltsam leer.