Foto: Steven Fechters "Schlangenbrut" in Bielefeld. Die Kinder greifen an, die Eltern sind geschockt. © Thomas Abel
Text:Stefan Keim, am 30. August 2015
Das Stück beginnt wie ein Kinothriller. Drei Paare beziehen ein Ferienhaus im Wald, die fast erwachsenen Kinder bleiben draußen. Sie verschwinden, kommen nicht wieder, schießen nur einen Pfeil in Richtung ihrer Eltern. Daran befinden sich ein totes Streifenhörnchen und ein Zettel mit der Aufschrift „Gebt auf!“
Der Dramatiker Steven Fechter hat sich darauf spezialisiert, aktuelle Themen in der Form von Theaterthrillern zu erzählen. Sein bisher bekanntestes Stück ist „The Woodsman“, das mit Kevin Bacon verfilmt und auch schon von Christian Schlüter am Theater Bielefeld inszeniert wurde. Es ist die berührende Geschichte eines pädophilen Mannes, der aus dem Gefängnis entlassen wird und mit sich und ablehnenden Mitmenschen um einen neuen Platz in der Gesellschaft kämpft. In „Schlangenbrut“ geht es nun um die völlige Entfremdung von Eltern und ihren Kindern. Der Trip in den Wald wurde von den Kindern ausgeheckt. Sie wissen, dass es dort kein Telefon gibt und die Handys keinen Empfang haben. Die Kinder wollen in der Wildnis leben, nichts mehr mit ihren Eltern zu tun haben. Die Mütter können auf Entfernung in der Hütte bleiben, wenn sie wollen, die Väter nicht. Sie sollen nur eine Woche pro Jahr zu Besuch kommen dürfen.
Die Idee klingt viel versprechend. Hier könnte man den durchgeknallten Wahnsinn ständig wechselnder pädagogischer Modewellen prima aufs Korn nehmen und darüber nachdenken, was Familie eigentlich bedeutet. Doch Steven Fechter bleibt an der Oberfläche der Thrillerhandlung kleben. Die Figuren sind eindimensional. Ein Ex-Soldat bezeichnet seinen Sohn als Feind und will die Jugendlichen mit Waffen bekämpfen. Eine Immobilienmaklerin schwafelt herum und demütigt ihren Mann, einen nicht sonderlich zu Abenteuern außerhalb der Zivilisation neigenden Zahnarzt. Der hat übrigens ein Problem, weil er sexuelle Erregung verspürte, als seine hübsche Tochter mal auf seinen Knien saß. Und natürlich gibt es auch noch ein Verhältnis zwischen zweien aus der Reisegruppe, die eigentlich nicht zusammen gehören.
Als Thriller ist das Stück vorhersehbar, als Komödie mittelprächtig, als Drama platt. Christian Schlüter tut im Bielefelder Theater am Alten Markt das einzig Richtige, um den Text erträglich über die Bühne zu bringen. Er hält ihn ständig auf der Kippe zwischen Glaubwürdigkeit und Satire, was das ausgezeichnete Ensemble gut umsetzt. Vorne schauen riesige ausgestopfte Tierköpfe aus der Wand, im Hintergrund von Jürgen Höths Bühne baumelt ein dichtes Labyrinth aus Plastikbaumstämmen von der Decke. Die 90 Minuten gehen schnell vorbei, unterhaltend ist diese „Schlangenbrut“. Aber auch nicht mehr, das interessante Thema wird höchstens angerissen.