Foto: "Solopoly" am Nationaltheater Mannheim. Joss Turnbull, Cristiane Gavazzoni, Rie Watanabe, Peter Hinz, Thorsten Gellings © Christian Kleiner
Text:Manfred Jahnke, am 18. Mai 2015
Aus dem Off sind kurze knarzende Geräusche zu hören. Ab und an springt ein Spieler auf die leere Spielfläche zwischen zwei sich gegenüberliegenden Zuschauerpodesten mit einem Klangstab (Clave) in der Hand, dem er Töne entlockt. Es entstehen kurze Begegnungen zwischen den Akteuren, die auf immer neuen Schlaginstrumenten Klänge ausprobieren, die sich manchmal zu melodischen Abfolgen formieren, manchmal aber auch in Dissonanzen enden, um dann wieder gemeinsam mit Luftballons zu musizieren. Oder eine große Percussionwand mit vielen verschiedenen Trommeln und großen herunter hängenden Metallstreifen wird gemeinsam erkundet (Bühne: Christian Thurm). Am Ende dann spielen alle zusammen auf Triangeln ein kleines Konzert.
In „Solopoly“, einem „Musiktheater für fünf Schlagzeuger“, entwickeln die junge kanadische Komponistin Annesley Black, deren Werke u.a. auf den Donaueschinger Musiktagen zu hören waren, und die Schnawwl-Leiterin Andrea Gronemeyer zusammen mit Schlagzeugern, die nicht nur aus ganz unterschiedlichen Spezialdisziplinen, sondern auch aus ganz verschiedenen kulturellen Traditionen kommen, über das Hörexperiment hinaus eine ganze Welt. Nicht allein in der Begegnung von Klängen der iranischen Tombak oder der indischen Tabla zu Sambarhythmen entsteht diese zauberhafte Welt, sondern mehr noch dadurch, dass allein durch das Agieren der fünf Performer eine große Geschichte im leeren Raum sich entwickelt. Wie sich schon im Titel, der sich aus den Begriffen Solo und Polis zusammensetzt, andeutet, geht es hier um grundsätzliche menschliche Beziehungen. Das lässt sich musikalisch als die Entwicklung vom Solisten zum Ensemble lesen, aber auch genereller als die vom Individuum hin zum gesellschaftlichen Wesen.
Dieses Spiel vom Einzelnen hin zur Gesellschaft wird dabei in seiner ganzen Widersprüchlichkeit vorgeführt, von der zaghaften Öffnung, die von einem anderen brüsk zurückgewiesen wird, von anscheinender Nähe bis zu wirklicher, kurz: von Annäherung und Abstoßung hin zum Wunder des Gemeinsamen. Annesley Black und Andrea Gronemeyer entwickeln ohne gesprochene Worte eine Welt, die dem Zuschauer große Freiheiten lässt. Man kann „Solopoly“ als Komposition genießen, die Black zu einer ganz eigenen Notation in der Partitur zwang. Aber auch, wenn Pausen darin fest notiert sind, haben die fünf Schlagzeuger auch den Raum für improvisatorische Momente. Mit großem Charme und viel Spiellust performen Christiane Gavazzoni (Brasilien), Thorsten Gellings (Deutschland), Peter Hinz (Italien), Joss Turnbull (iranische Trommelkunst) und Rie Watanabe (Japan), allesamt renommierte Schlagzeuger, die in unterschiedlichen Formationen auftreten und heute im Rhein-Main-Gebiet leben.
Als Produktion der Jungen Oper am Nationaltheater Mannheim wird „Solopoly“ für Menschen ab sieben Jahren angeboten. Aber als Hörexperiment und als Geschichte, die sowohl die der Menschheit als die der Musik umfasst, ist die von Black und Gronemeyer geschaffene Komposition für alle Altersstufen ein Eintauchen in eine magische Welt.