Das Bamberger Ensemble von "Schuld und Schein"

Schlicht peinlich

Ulf Schmidt: Schuld und Schein

Theater:ETA Hoffmann Theater Bamberg, Premiere:14.02.2015Regie:Rainer Lewandowski

Lucy Prebbles „Enron“, Andres Veiels „Das Himbeerreich“, Elfriede Jelinkes „Die Kontrakte des Kaufmanns“, Dennis Kellys „Die Götter weinen“: Firmen- und Bankenimperien entzünden den Analysebedarf und wohl auch die Wut von Dramatikern, die ihrem Publikum zeigen wollen, was Menschen einander antun, wenn Werte zu bloßen Geldwerten werden. „Schuld und Schein“, Ulf Schmidts Wirschafts- und Bankenanalyse ganz im Stile Brecht’scher oder Piscator’scher Aufklärungs- und Dokumentartradition, gehört ebenfalls in diese Reihe: Es zeigt, was mit dem Ausleihen eines Goldstücks beginnt und mit der Großverarschung von Arbeitnehmern gleich Konsumenten gleich Steuerzahlern endet. Dieses Stück Erklärtheater hat schon gefeierte Aufführungen am Münchner Metropol Theater gehabt. Am Bamberger E.T.A.-Hoffmann-Theater geht es in der Inszenierung des scheidenden Theaterchefs Rainer Lewandowski aber vollkommen und vollends unter.

Denn Lewandowski reichen diese Theater-Traditionen nicht. Er will dem Stück unbedingt noch eine drüberwölben und bedient sich einer Bühnenform, deren Sarg eigentlich schon zugenagelt ist, nämlich dem Polit-Kabarett und Agit-Prop der 70er Jahre. Und heraus kommt, wie kaum anders zu erwarten, ein furchtbar altmodisches, dröges, hausbackenes Stück Polit-Pumpernickel, eine Aufführung, immer wieder durchsetzt und durchbrochen mit zumeist eher uncharmant-semiprofessionell dargebotenen Gesangseinlagen (musikalische Leitung: Franz Tröger), vor einem nicht unbedingt fulminant originell zu nennenden Vorhang aus Banknoten (Ausstattung: Chrysenda Sailmann) und insgesamt dargeboten mit dieser Piefigkeit huldlächelnder Besserwisserei und zugleich serviler Moralapostelitis, die an jenen einstigen Kabarett-Veranstaltungen immer schon so rigoros genervt hat.

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So wird in Bamberg ein Stück über Geldströme verhandelt: Pausenlos werden Lieder wie „Money Money Money“  von Abba dargereicht, auch nicht unbedingt sehr einfallsreich. Und wenn dann gleich zu Beginn chronisch schultheaterhaft ein kapitalismuskritisches Stück intoniert wird und eine arme Schauspielerin das erschrockene Publikum zum Mitsingen animieren muss, wiewohl das gesetzte Premierenpublikum jetzt nicht zwingend mit zu hundert Prozent antikapitalistischem Geist durchdrungen ist, wird’s schlicht peinlich. Die ganze Aufführung wirkt, als sei man immer gleich bei der ersten Idee hängen geblieben; es gibt nur posaunenhafte Behauptung ohne jeglichen filigranen dramaturgischen Unterstrom, weshalb die eigentlich durchaus boshaft-aufklärerische Traglast des Stücks huldvoll an seiner Oberfläche weggelächelt werden kann. Das Publikum kichert entspannt und ungetroffen, das eigentliche Thema des Abends, die Tücke der unsichtbar-undurchsichtigen Finanzströme und der Verquickung von Staat und Wirtschaft, ist weit weg. Wie sagte dann der eine Mann zum anderen beim Rausgehen: „Jetzt weißt Du wenigstens, warum Du so reich bist.“