Foto: Das Theater Heidelberg zeigt "Fetonte" im Schloss Schwetzingen. Philipp Mathmann (Proteo), Rinnat Moriah (Teti), Jeanine de Bique (Climene) © Annemone Taake
Text:Marieluise Jeitschko, am 1. Dezember 2014
Der Rahmen hätte schöner kaum sein können für die Feier des 300. Geburtstages von Niccolò Jommelli. Ins Rokokotheater Schwetzingen hatte das Theater Heidelberg geladen zur Premiere von „Fetonte“. Aber das Fest mit diesem musikalischen Juwel des italienisch-französischen Barock hinterließ einen faden Nachgeschmack. Das Regieteam musste sich ein paar laute Buh-Rufe gefallen lassen.
Am Werk waren Stuttgarts junger Hauschoreograph Demis Volpi und die ebenfalls junge Ausstatterin Katharina Schlipf, die schon mehrere seiner Ballette möbliert und kostümiert hat, in Heidelberg immerhin die „Aida“. Für Volpi war es die erste Opernregie – die Wahl wenig erstaunlich, hatte doch Jommelli diese Oper in Zusammenarbeit mit dem legendären Ballettreformer Jean-Georges Noverre in Stuttgart geschrieben (Uraufführung 1768 im Schlosstheater Ludwigsburg). Die Wiederbelebung 1986 in Stuttgart blieb ohne Folgen. Das hätte gern so bleiben können, zumal man im Programmheft liest, gegen welche Schwierigkeiten das Regieteam kämpfte, wie übergroß ihr Respekt vor Jommellis Musik ist.
Kein Wunder, dass Volpi und Schlipf sich schwer tun mit Mattia Verazis zäher Geschichte, inspiriert vom Text für Lullys Oper „Phaeton“, der wiederum auf die Metamorphosen des Ovid zurückgeht. Selbst der Komponist hatte seine liebe Müh‘ damit. Verazi sorgt für reichlich Verwirrung. Fetonte, Sohn der verwitweten Nubierkönigin Climene und des Sonnengottes Il Sole, soll und will seine Stiefschwester Libia zwar gern heiraten. Aber der ägyptische Nachbarkönig Epafo schielt auch auf die junge Schöne, und der äthiopische König Orcane wirbt um Climenes Gunst. Als beide Regenten die göttliche Herkunft des geradezu autistisch-verklemmt wirkenden Fetonte bezweifeln, enden Rankünen und Rivalitäten tragisch: Fetontes Versuch, auf Anraten der Mutter das Firmament im sonnengöttlichen Wagen zu bereisen, entfacht ein gigantisches Inferno.
Bei Volpi/Schlipf bleibt optisch alles wie seit langem gehabt hierzulande bei Barockopern-Inszenierungen. Abgesehen von Göttin Fortuna als Rauschgoldengel, dem Propheten Proteo mit weit abstehender Wuschelfrisur und Il Sole als scheußlich blendendem Lampencluster gibt sich das Personal ganz cool in mehr oder weniger modernen Klamotten: Climene mimt ganz die Karrierefrau im seidenen Hosenanzug und mit strenger Hochfrisur, Libia ist lieblich-biederes Heimchen, Fetonte welt-abgewandter, hemdsärmeliger Bastler und Naturforscher, die Könige Lebemann und Sportler. Gespielt wird in einem mit Holzkassetten verkleideten Raum voller schwarzer Ledermöbel – und schemenhafter Düsternis zwischen Himmel und Erde. Nein, da wären Tänzer in der Tat fehl am Platz. Was für ein Jammer!
Bleibt die Musik. Dass ein Stadttheater sich kein Barock-Instrumentalensemble leisten kann, liegt auf der Hand. Das Philharmonische Orchester Heidelberg gab unter dem italienischen Gastdirigenten Felice Venanzoni sein Bestes. Aber dass nicht einmal Continuo Cembalo und Theorbe zu haben waren, tat weh. Hammerklavier und Cello klingen doch reichlich grob zu einem Gesang, der mit Trillern und Koloraturkaskaden gespickt ist und dank Countertenören reizvollste Klangfarben bietet.
Den fabelhaften Sängern hätte man bessere Umstände gewünscht. Elisabeth Auerbach (Libia), Namwon Huh (Orcane), Artem Krutko (Epafo) machten ihre Sache recht brav. Countertenor Antonio Giovannini (Fetonte) wurde seiner Rolle als Antiheld, stimmlich nicht immer mühelos, gerecht. Rinnat Moriah glänzte (in der Höhe etwas schrill) als Meeresgöttin, Mutter Climenes und La Fortuna. Mit mythologischer, zauberhaft zarter Aura umgab sich der wunderbar schlank und geschmeidig intonierende Countertenor Philipp Mathmann (Proteo und Il Sole). Mit einer musikalischen und darstellerischen Bravourleistung entschädigte Jeanine De Bique (Climene) für alles, was als nicht so glücklich empfunden wurde an diesem Premierenabend.
Rätselhaft bleibt, wieso Volpi, der wenige Monate zuvor durch die Auszeichnung mit dem „Deutschen Tanzpreis Zukunft“ als Hoffnungsträger der Ballettszene geadelt worden ist, sich plötzlich der Oper zuwendet und seine choreographische Handschrift, Imagination und Ambition geradezu verleugnet.