Foto: Deutsche Erstaufführung der Fußballoperette "Roxy" in Dortmund © Thomas M. Jauk
Text:Marieluise Jeitschko, am 1. Dezember 2014
Natürlich erinnern wir uns alle an das „Wunder von Bern“, jedenfalls an den Film vom Fußball-WM-Finale 1954 und Helmut Rahns Treffer zum Sieg für die Deutschen in letzter Sekunde. Schon Jahrzehnte früher besang Paul Abraham den Traum vom großen Kicker-Glück: „Einmal wird ein Wunder gescheh’n“, lässt er seine Braut wider Willen Roxy vor dem Finale der Ungarn gegen die Schotten trällern. 1938 wurde die Fußball-Operette als letzte österreichisch-deutsche Koproduktion am Plattensee verfilmt. Die ungarische Bühnenfassung war Ende 1936 mit dem Titel „3:1 für die Liebe“ in Budapest, die deutschsprachige Fassung als „Roxy und ihr Wunderteam“ im Theater an der Wien begeistert gefeiert worden. Nun wird die Blondine im Brautkleid endlich zur Glücksfee auf der Dortmunder Bühne. Henning Hagedorn und Matthias Grimminger rekonstruierten die verschollene Partitur des ungarisch-deutschen jüdischen Komponisten, der nach Jahren des Exils 1960 in geistiger Umnachtung in Hamburg starb.
Vor allem wollte der Wahlberliner die Gesellschaftspolitik der 1930er Jahre auf die Schippe nehmen. „Sport, Sport, Sport – dem Sport gehört die ganze Welt!“ singen die geschniegelten Kicker (ursprünglich Wasserballer) und steppen über die Bretter, was das Zeug hält. Aber nach der Niederlage gegen die Schotten braucht Manager-Trainer Baron Szatmary (Frank Voß) erst mal eine Aufmunterung für das Rückspiel und setzt sich samt Liebchen nach Venedig ab. Das Training überlässt er dem Mannschaftskapitän (Lucian Krasznec). Dem kommt erst mal die vom Heirats-Altar geflohene Roxy in die Quere. Sie mausert sich aber schnell zum Mannschaftsmaskottchen. Die Verlobte des Barons (resolut und gewitzt: Johanna Schoppa) indes rächt sich an ihrem treulosen Geliebten, indem sie mit den Mädchen ihres Pensionats just dort am Plattensee Quartier nimmt, wo die National-Elf ihr Trainingslager aufgeschlagen hat. Dass nach allem erdenklichen Techtelmechtel und Tohuwabohu alles happy endet und Roxy auch noch den richtigen Bräutigam bekommt – Kapitän Gjurka Karoly – versteht sich von selbst.
Die Dortmunder Produktion setzt auf fetzige Unterhaltung zwischen melodienreichem Operettenschmelz (inklusive ungarischem Stehgeiger), Musicalsound und Jazz. Die Dortmunder Philharmoniker unter Philipp Armbruster sind als Big Band für jegliche Kapriolen zu haben.
Als Roxy kehrt Stimmungskanone Emily Newton, die als „Anna Nicole“ für Furore sorgte, zurück. Altmeister Hannes Brock mimt den schottisch-sparsamen Onkel der Schönen, die den steinreichen Bobby (schön bieder-dümmlich: Fritz Steinbacher) nicht heiraten mag. In einem Couplet im alt-Wiener Nestroy-Stil mahnt Brock beim Publikum auch die Treue zum kriselnden heimischen BVB an.
Die viel beschworene „Abraham-Renaissance“, 2013 ausgelöst von Barrie Koskys Berliner Inszenierung des „Ball im Savoy“ und einem Abraham-Filmtag mit drei historischen Streifen, hält sich bisher in Grenzen. In dieser Saison haben nur Hagen und Halle/Saale Abrahams „Ball im Savoy“ auf dem Plan. „Roxy“ könnte neuen Anschub geben.