Foto: "Die Glückskuh" am WLB Esslingen © Andreas Zaun
Text:Manfred Jahnke, am 28. November 2014
Schwäbisch Schwätzen auf der Bühne löst zumeist brüllendes Gelächter bei den Zuschauern aus, spiegelt sich doch in diesem Dialekt ein kleinbürgerliches Bewusstsein, mit dem kein Schwabe sich identifiziert. Um so erstaunlicher ist, dass es Christine Gnann an der WLB Esslingen gelingt, die Figuren in „Die Glückskuh“ von Hermann Essig in der Bearbeitung von Jürgen Popig in einer solchen Tiefe auszuloten, dass das Lachen über das schwäbische Schwätzen im Halse stecken bleibt. Obschon es da auch wunderbar komische Nummern zu sehen gibt, wie den Slapstick von Martin Theuer als Schultheiß (Bürgermeister). Nein, es wird wenig gelacht, weil die Geschichte einfach zu hart ist. Rebekka ist hübsch, aber arm. Weil sie nichts in eine Ehe mit einbringen kann als ihre Schönheit, wird sie zwar von den Bauernjungen umschwärmt, aber für eine Heirat kommt sie nicht in Frage. Sie unterwirft sich diesen Spielregeln und stiehlt eine Kuh, denn als Besitzerin einer solchen Kuh ist sie nun attraktiv genug für die Mütter der Männer. Aber glücklich wird Rebekka dabei nicht, so wie Marie Mayer sie spielt, depressiv in sich zurück gezogen, ein Opfer, das schwanger gegen die Männer, bzw. ihre Mütter und ihren Vater zu trotzen versucht. Mayer entwickelt das Psychogramm einer Figur, die ihre Rebellion gegen die Verhältnisse, wie sie sind, in sich hineinbeißt und wirkt dabei tragisch. Die Männer hingegen sind eher von ihrem Sex getrieben, Antonio Lallo als Helm ganz unter der Fuchtel seiner Mutter stehend, der Rebekka zwar liebt (und sie geschwängert hat), aber nicht wirklich zu ihr steht. Manuel hingegen, von Marcus Michalski dargestellt, spielt den forschen Liebhaber, der aber am Ende doch auch Rebekka fallen lässt.
Als Friedrich Schirmer, bevor er nach Freiburg, Stuttgart und Hamburg aufbrach, vor ein paar Jahrzehnten schon einmal Intendant der WLB Esslingen war, hatte er mit dem „Schweinepriester“ einen anderen Essig ausgegraben, weil er dessen Changieren zwischen Volkstheater und Realismus sehr schätzt. Und er hat ein Ensemble zusammengestellt, in dem viele ehemalige Mitstreiter engagiert sind. Es ist toll, dem zuzuschauen, allen voran Martin Theuer, einem absoluten Komödianten, aber auch Eberhard Boeck, der die Komik seiner Figuren mit einer großen Ruhe ausspielt, oder Reinhold Ohngemach, der den alkoholkranken Vater von Rebekka vorführt. Und dann sind da noch die Mütter zu nennen, Sabine Bräuning als die Mutter von Helm, die resolut ihren Sohn unterdrückt, die Tochter (Nina Mohr) aber walten lässt und eher eine Beobachterposition einnimmt, was ihr eine bestimmte Überlegenheit gibt. Gesine Hannemann dagegen spielt eine raffgierige, hartherzige Frau, der es nur um das Geld geht.
Eigentlich müsste die Handlung in einer Katastrophe enden, wenn da nicht am Ende der verständnisvolle Oberamtmann (Eberhard Boeck) als deus ex machina auftauchen würde und die richtigen Paare arrangiert. Aber geändert hat sich nichts, nach wie vor regiert das Geld und die Rebekka der Marie Mayer macht nicht den Eindruck, als ob sie nun wirklich glücklich wäre. Nicht einmal die Tatsache, dass sie wegen des Kuhdiebstahls nicht angeklagt wird, erleichtert sie wirklich. Mit einem starken Ensemble hat Christine Gnann eine Inszenierung mit hohem Spieltempo vorgelegt, musikalisch, mit schnellen Wechseln. Das ermöglicht auch der Raum von Marion Eisele, der von drei große Ackerfurchen und einem großen Baum dominiert wird und von lauter Plastikstreifen umgeben wird, die nach vorne hin auch weggezogen werden können. Hinter diesen Streifen hält sich oft das Ensemble auf: in dieser Dorfgemeinschaft beobachtet jeder jeden.