Foto: Ein "Foxfinder" (Béla Milan Uhrlau) am Stadttheater Ingolstadt © Jochen Klenk
Text:Christian Muggenthaler, am 20. Oktober 2014
Eine Gesellschaft wird mehr von den Feindbildern bedroht, die sie sich schafft, als von den Feinden selbst. Eine Gesellschaft vergewissert sich ihrer selbst, indem sie ausgrenzt. Im Fall von Dawn Kings düsterer, kafkaesker, negativer Endzeit-Vision in George-Orwell- und Aldous-Huxley-Tradition, erstaunlich nahe auch bei so absurd-grusligen Hörspiel-Klassikern aus den 50er Jahren wie Günter Eichs „Träume“-Zyklus oder Ilse Aichingers „Knöpfe“, sind es rätselhafte, gemeingefährliche, übersinnlich begabte Füchse, die von einer anonymen Obergewalt zu den Schuldigen am katastrophalen Zustand des Staates ernannt werden und die von den „Foxfindern“ aufgespürt werden sollen.
Der Britin King gelingt es, anhand dieser schnell entschlüsselbaren Parabel das Bild eines Staatsgebildes zu erzeugen, das durch ständiges Nachspüren nach potenziellen Feinden die Bevölkerung in einen permanenten Angstzustand zwingt. Sie zeigt die Mechanismen des Totalitarismus‘ – und wie schnell eine Gesellschaft in eine manipulierte, geknechtete abrutschen kann. Die Suche nach Staatsfeinden schlägt verteufelt rasch in Paranoia um, und die wiederum in eine Schutz-Diktatur, die schließlich nur noch die Machthaber vor der Bevölkerung schützt. Eine Gefahr, die keineswegs in der Vergangenheit angesiedelt ist. Starker Stoff also. Der zunächst in Donald Berkenhoffs Inszenierung am Stadttheater Ingolstadt stark bebildert wird. Ausstattung (von Nikolaus Porz), Video (von Stefano Di Buduo) und Musik (von Deborah Wargon) bilden zusammen ein düsteres, verregnetes, graues Bild eines zweistöckigen Landguts, in dem oben gewohnt wird und unten allmählich alles absäuft und zu Dreck wird. Die Schauspieler bewegen sich langsam, bedächtig, sprechen mit beträchtlichen Pausen, und so ist rasch erkannt: Wir bewegen uns hier auf einem Ungrund, in einer nachmitternächtlichen Nichtwirklichkeit, im Nichtzuhause einer magischen Gespensterwelt.
In diese Nichtwelt von Bauer Samuel (wild: Matthias Zajgier), seiner Frau Judith (verzweifelt: Patricia Coridun) und der Nachbarin Sarah (porentief durchängstigt: Teresa Trauth) platzt der Foxfinder William, der von Béla Milan Uhrlau überzeugend als junger Geisterjäger mit unheimlich negativer Aura gezeigt wird, der strahlt, wenn andere leiden. Aber schnell verpufft die solide hergestellte Wirkung in Berkenhoffs Inszenierung, weil von Beginn bis Ende die Stimmung gleich ist. Überraschend ist da nichts, weil die Vorzeichen vor vornherein so auf unalltäglich eingestellt sind, dass hier nichts, keine Unheimlichkeit, keine dunkle Autorität, keine Angst allmählich einsickern können. Alles ist von Beginn an Endzeit. Und so wird eigentlich keine Geschichte erzählt, sondern eine dunkle Parabel sauber in all ihren nebelhaften Wendungen durchgeführt.