Foto: "My private Odyssey" am Staatstheater Mainz © Andreas J. Etter
Text:Annette Poppenhäger, am 17. Oktober 2014
Es geht ums Ankommen und Unterwegssein. Fremde, Heimkehr, Krieg und Frieden sind weitere Stichworte zu „My Private Odyssey“, der ersten Premiere des neuen Tanzensembles am Mainzer Staatstheater unter Tanzdirektor Honne Dohrmann. Der neue Hauschoreograph Guy Weizman und seine Partnerin Roni Haver, unter ihrem Label „Club Guy & Roni“ schon seit über einem Jahrzehnt sehr erfolgreich im niederländischen Groningen zu Hause, stellen sich mit dieser Uraufführung erstmals dem Mainzer Publikum. Die Tänzer stammen zu gleichen Teilen von der neuen tanzmainz-compagnie und aus Holland.
Der Typ auf dem Monitor am rechten Bühnenrand soll vermutlich Odysseus sein. Er trinkt, raucht, telefoniert. Dabei erzählt er seine Geschichte (Text: Ko van den Bosch), spricht von Penelope, seiner Frau und Telemachos, dem Sohn. Lippensynchron ist das nicht. Vorn auf der Bühne am Mikrophon stehen immer wieder wechselnde Tänzer und Tänzerinnen, auch sie bewegen die Lippen zum eingespielten Text, manchmal sprechen sie auch selbst. Wer da also konkret spricht, ist offensichtlich nicht entscheidend, der Text will universell gültig sein. Jeder kann wie Odysseus sein, soll das vielleicht heißen.
Verschieden große Leinwände hängen an den Bühnenseiten und dienen als Projektionsflächen. Richtungspfeile sind zu Beginn darauf zu sehen, Lichtwellen, Schatten, im letzten Drittel auch Porträts (Bühnenbild: Ascon de Nijs, Videodesign: WERC). Ganz am Schluss bleiben – sehr poetisch – nur noch kleine Lichtpunkte wie Sterne am Firmament stehen. Die Musik von David Dramm und der Sound von Martin Lambeek verstärken zunächst den Eindruck des Suchens, der Orientierungslosigkeit. Es klingt nach Störgeräuschen, Funkverkehr und wie bei altmodischen Radios, wenn man den nächsten Sender sucht. Nach und nach kommen die in stilisierter Kriegermontur ganz in Rot gekleideten Tänzer (Kostüm: Slavna Martinovic) nach vorn, probieren Bewegungsabläufe zwei-, dreimal aus, bilden kleine Gruppen, gehen wieder auseinander. Das Bild der See und die Vorstellung, immer in Bewegung zu sein, sagt Weizman im Interview im Programmheft, habe zu Anfang der Proben gestanden. Tatsächlich werden auch mal Papierschiffchen aufgestellt und schließlich auch ein gefaltetes Papier-Boot an die Zuschauer weitergereicht. „Sail on“ steht drauf. Kindisch-verspielt legen einige Tänzer auch Taucherbrille, Schnorchel, Lämpchen und je eine Flosse an. Diese Albernheit bleibt aber die Ausnahme: es ist dem Team nämlich sehr ernst. Und so stürmen auf uns Zuschauer Text, Tanz, Musik, Licht und Geräusch ein, alles gleichzeitig, übereinander. Das ist nicht immer schön, auch laut und schrill, mitunter anstrengend. So aber soll es wohl auch sein, wo es um letzte, existentielle Dinge geht. Die Tänzerinnen und Tänzer überzeugen mit ihrer Präsenz und Energie, es gelingen kraftvolle, sehr intensive Momente. Dass die Musiker (die Pianistin und Komponistin Tomoko Mukaiyama, die Flötistin Anna La Berge und die Violinistin Monica Germino) den Abend über auf der Bühne präsent sind und mitspielen steigert die Intensität.
Angekommen ist das neue Tanztheater in Mainz mit dieser ersten Produktion vielleicht noch nicht. Aber es ist unterwegs. In Bewegung. Viele weitere Abende werden noch folgen.