Foto: Das Ensemble von "Der König hinter dem Spiegel" © Digipott
Text:Manfred Jahnke, am 13. Oktober 2014
Nach dem persischen Epos „Vogelgespräche“ von Fariduddin Attar erzählt Rudolf Herfurtner mit „Der König hinter dem Spiegel“ Kindern die schwierige Reise zum Sinn des Lebens. Sehnsucht, Freundschaft, Todesbedrohung prägen für Nachtigall, Fledermaus und Spatz diese Suche nach dem Vogelkönig Simurgh; ihnen wird von Moorhuhn, Schwan und Geier geholfen, das ferne Ziel zu erreichen. Wie in allen seinen Stücken zeichnet sich die Sprache Herfurtners durch poetische Verknappung und klare Metaphern aus, so dass diese scheinbar der Regie keine Möglichkeiten lassen. Um so gespannter durfte man daher sein, wie Peer Boysen, dessen Inszenierungen häufig starke visuelle Mittel nutzen, an der Schauburg München diesen Text umsetzen würde.
Ein schwerer roter Vorhang schließt die Bühne nach vorne ab, rechts sitzt Greulix Schrank mit seinen Percussioninstrumenten, rechts steht ein Klavier. Wenn der Vorhang sich hebt, sieht man zunächst einmal nur eine Gartenbank, auf der eine junge Frau (Regina Speiseder als Nachtigall) im Barockkostüm sitzt, einen Vogelkäfig über den Kopf, und ein Mann im schwarzen Gehrock (Thorsten Krohn als Fledermaus). Aber schon in dieser Anfangsszene öffnet sich dem Zuschauer ein weiter Phantasieraum, der paradoxerweise um so beeindruckender wirkt, je einfacher die szenischen Mittel sind. Verstärkt wird diese Wirkung dadurch, dass Boysen den Figuren prächtige Kostüme gibt und diesen jeweils eine Grundfarbe zuordnet, der Raum selbst ist leer. Damit verlässt sich die Regie auf das Können der Schauspieler. In der Tat läuft das Schauburg-Ensemble zur großer Form auf, mit leiser Komödiantik entstehen starke Figuren. Neben den genannten Regina Speiseder und Thorsten Krohn ist da Nick-Robin Dietrich als Spatz zu nennen, der seine Kollegen auch am Klavier begleitet, Lucca Züchner als Steinhuhn und Schwan und Markus Campana als Geier, deren Spielfreude die Aufführung trägt.
Boysen ergänzt die Vorlage von Herfurtner mit zwei Eingriffen. Zum einen lässt er, anknüpfend an orientalische Erzähltraditionen, die Schauspieler jeweils eine Fabel erzählen, was manchmal die Erzählstruktur verkompliziert. Das andere Mittel hingegen, deutsche Schlager wie „Frag den Abendwind“ ganz leise und mit hohen Stimmen zu singen, schafft geheimnisvolle Stimmungen. Wenn die Vögel das Ziel ihrer Sehnsucht erreicht haben und der Spiegel sich nicht mehr blind zeigt, wenn alle sich vor dem Spiegel zusammentun, ist das Ende noch nicht erreicht. Es folgt ein Coup: Während das Ensemble „Die Gedanken sind frei“ leise raunt, ist plötzlich der Zuschauer selbst im Bild des Spiegels, wird selbst zum König, der sich ständig neu suchen muss.