Text:Björn Hayer, am 6. Oktober 2014
Heute wäre William Shakespeares Komödie „Ein Sommernachtstraum“ sicherlich Stoff einer nachmittäglichen Beziehungssoap: Hermia (Anne Leßmeister) will Lysander (Paul Walther), den sie aber nicht haben darf, weil sie längst dem wohlhabenden Demetrius (Nikolaj Alexander Brucker) versprochen ist, den wiederum die attraktive Helena (Tina Wilhelm) unglücklich begehrt, während dessen Thesseus (Mattes Herre), Herzog von Athen, selbst die eroberte Hippolyta (Nadine Kettler) zu heiraten sucht… Viel Lärm um Beziehungsstress also, angesichts dessen der Autor den Betroffenen zurecht eine Freiluftkur gewährt. Denn als Hermia und Lysander eines Nachts in den Wald fliehen, um dort ihren Gefühle freien Raum zu geben und schon bald die anderen Liebestollen folgen, beginnt ein magisches Spektakel der Naturgeister, worin das Elfenkönigspaar Oberon und Titania (auch Mattes Herre und Nadine Kettler) mit allerhand Zauber die Paare neu zu sortieren wissen.
Leichtfüßig und mit spitzfindiger Ironie inszeniert Piet Drescher Shakespeares amouröse Fehde im Stadttheater Baden-Baden als groteskes, vom schauspielerischen Witz getragenes Possenspiel. Insbesondere jene Handwerkergruppe, die in einem parallelen Erzählstrang eine stumpfsinnige Romeo-und-Julia-Romanze zur Feier der Hochzeit Theseus‘ einzuproben sucht, sorgt für allerhand Komik. Wenn etwa deren Protagonist Nikolaus Zettel (wunderbar: Max Ruhbaum) später als verzauberter Esel die Waldkönigin Titania im Liebesspiel beglückt, zieht Drescher alle Register herzhaften Amüsements.
Die Inszenierung bleibt dabei dem Grundgedanken der Vorlage treu. Während der englische Dramatiker in fast allen seinen Stücken das Scheitern der Liebe an den gesellschaftlichen Konventionen verhandelt, deutet er in „Der Sommernachtstraum“ eine alternative Vision an: Jenseits des politischen Ränkespiels – Hermia und Lysander fielen ihm zu Beginn beinahe zum Opfer – folgt die Liebe im Schutz der Wälder den Eigengesetzlichkeiten der Natur. Nur die Elfen haben hier ihre Hand im Spiel, Athener Zweckbündnisse sind ihnen fremd. Indem Volker Walther ein immer wieder von Oberons Gehilfen Puck, schelmisch gespielt von Matthias Günther, in Gang gesetztes Rondell auf der Bühne installiert, liefert er ein Bild für den Kreislauf des Lebens – er ist das eigentliche Sujet des gesamten Stückes, das zugleich die eigene Theatralik zu erkennen gibt. Als sich am Morgen nach der Elfenhexerei, wo nach einigen Drehungen und Wendungen der Handlung Demetrius Helena und Lysander wieder Hermia verfallen ist, Scheinwerfer und sonstiges Bühnengerät vom Spielfeld nach oben gezogen werden, ist der Spuk vorbei und der Weg zu den Liebesvermählungen frei.
Neue Akzente für die Shakespeare-Interpretation mag man hierin zwar vergeblich suchen – bleibt doch der im Stück angelegte, potenziell nutzbare Gender-Komplex weitestgehend unberührt. An Vitalität mangelt es der Inszenierung trotzdem nicht. Im Gegenteil: Dass der Regisseur in einigen Teilen den Originaltext etwas strafft und aufhippt, tut dem ansonsten und heute etwas holprig anmutendem Blankvers gut. Eine solide Klassiker-Adaption!