Foto: "Das Geisterhaus" nach Isabel Allende am Theater Konstanz © Ilja Mess
Text:Elisabeth Maier, am 29. September 2014
Tische und Stühle türmen sich auf der Bühne. Gelbe Blumen erinnern an die Verstorbenen der Familie Trueba, von der die Chilenin Isabel Allende in ihrem ersten Roman „Das Geisterhaus“ erzählt. Die neue Konstanzer Oberspielleiterin Johanna Wehner hat den Roman, der Erzählweisen der lateinamerikanischen Familiensaga und des magischen Realismus ausufernd und manchmal platt verknüpft, zum packenden Drama verdichtet. Elisabeth Vogetseder verwandelt angeschrammtes Mobiliar in einen Erinnerungsraum, der den Schauspielern im Stadttheater wundervolle Spielmöglichkeiten eröffnet.
Aus Allendes Spiegelbild der chilenischen Geschichte und des Militärputschs des Diktators Pinochet, in dessen Verlauf ihr Verwandter, der Präsident Salvador Allende, angeblich Suizid begangen haben soll, extrahieren Wehner und der Dramaturg Adrian Herrmann eine Bühnenfassung, die ins Herz trifft. Dabei bewegen sie sich weg von der Dramaturgie des Romans. Die junge Regisseurin, die mit ihrem Gespür für die Musikalität literarischer Vorlagen überzeugt, findet auch in Allendes Text mit dem Komponisten Felix Johannes Lange eine berauschende Melodie. Tangoklänge und Trauermusik treiben die Schauspieler durch den Sturm der Geschichte. Die bedachte Choreographie entrückt die Szenerie ins Unwirkliche. Dazu tragen Miriam Draxls Kostüme bei. Bunte Stofffetzen, ein Fuchsschwanz samt Kopf und abgeschnittene Haare, als Krawatte getragen, haben etwas Morbides.
Im Mittelpunkt steht die Familie des Gutsbesitzers und Politikers Esteban, der seine Frau Klara ebenso betrügt wie sein Land. Zwei Schauspieler untersuchen die komplexen Facetten seiner Persönlichkeit. Thomas Ecke demontiert den korrupten Senator, während Ralf Beckord die Zerrissenheit des Vaters, Ehemanns und Ehebrechers zeigt. Diese Vielstimmigkeit macht den Reiz von Wehners „Geisterhaus“ aus, das auf der griffigen Übersetzung von Anneliese Botond basiert. Zu den Gespenstern der Vergangenheit knüpft Natalie Hünig feine Drähte. Wenn die fragile Schauspielerin, die Estebans betrogene Frau Klara verkörpert, auf dem Tischkonstrukt steht und den Lebenden zuwinkt, legt das Tiefenschichten in Allendes Roman frei. Gekrümmt und mit Schmerzensschreien zeigt die junge Laura Lippmann als Enkelin, wie Folter Menschen zerstört. Jeder ihrer angstvollen Blicke geht unter die Haut. Julian Härtner als ihr Partner, der sich der Guerilla anschließt, verpuppt sich in sprachloser Verzweiflung. Ihr Faible für das Surreale kostet Gabi Geist als Puffmutter aus. Wehner horcht in ihrer überzeugenden Regiearbeit tief in die lateinamerikanische Lebensphilosophie hinein. Sie begegnet dem Text mit bestechender Ernsthaftigkeit. Das führt manchmal dazu, dass historische Details das Publikum erschlagen. Mit dem überzeugenden Ensemble findet sie aber stets zu einer Theatersprache zurück, die im besten Wortsinn berührt.