Foto: Shakespeares "Wie es euch gefällt" am Staatstheater Wiesbaden. Maria Munkert, Judith Bohle © Lena Obst
Text:Volker Oesterreich, am 22. September 2014
„Die ganze Welt ist eine androgyne Wanderbühne“: Ja, so kann man das bekannteste Zitat aus Shakespeares „Wie es euch gefällt“ natürlich auch deuten. In der Wartburg, der multifunktional nutzbaren Nebenspielstätte des Staatstheaters Wiesbaden, gestattet sich die Regisseurin Schirin Khodadadian diese werkgetreue Verballhornung. Werkgetreu deshalb, weil Shakespeares Liebeskomödie mit dem allseits beliebten Bonmot „Die ganze Welt ist eine Bühne“ per se sprachverspielt ist und obendrein mit dem Mittel der amourös motivierten Verkleidung Geschlechterrollen auf den Prüfstand stellt.
In Wiesbaden sieht der Ardenner Wald, in dem die Schar der Vertriebenen um den alten Herzog (Benjamin Krämer-Jenster) allerlei Liebesverwirrungen ausgesetzt ist, wie ein Catwalk aus – Bühne jener Glamourwelt der Models und Stardesigner, die nichts, aber auch rein gar nichts mit alltäglichen Erfahrungshorizonten zu tun haben. Das Publikum sitzt auf jeweils drei langen Reihen, die den Laufsteg auf beiden Seiten flankieren. Ein paar Scheinwerfer auf Stativen symbolisieren weiter hinten den Ardenner Wald, während vorne drei hohe Leitern zur Kletterpartie auf die obere Galerie laden, mal hoch, mal runter. Matthias Schaller konfrontiert mit diesem Bühnenbild die Gefühlswelt der Figuren mit der Scheinrealität der kommerzialisierten Modebranche, in der ebenfalls gerne mit Geschlechterrollen gespielt wird.
Allerdings hält die Exilantenschar im Ardenner Wald gar nichts vom Kommerz: „Macht nicht Verzicht das Leben leichter als all der aufgepappte Pomp“, fragt sich der Herzog, während seine Tochter Rosalind und der in sie verliebte Orlando nebst all den anderen dem ebenso magischen wie uralten Spiel gegenseitiger Anziehung ausgesetzt sind, obwohl in diesem Wald kein sommernachtsträumerischer Puck seinen aphrodisischen Saft in die Augen der Beteiligten träufelt.
Stefan Graf und Michael Birnbaum haben als Melancholiker Jaques und als Probstein die dankbaren, da sprachmächtigen und burlesken Narrenrollen übernommen, feinsinnig und durchtrieben der eine, während die Partie des Probstein eher aufs Clowneske angelegt ist. Felix Mühlen reimt sich als Orlando aufs Komischste durch die Zettelwirtschaft seiner Liebesgedichte an Rosalind, der Judith Bohle das gesamte Charakter-Kaleidoskop zwischen Charme und Chuzpe zu verleihen vermag, assistiert dabei von Maria Munkert als Celia. Evelyn M. Faber und Lukas B. Engel tragen in mehreren kleinen Rollen das ihre dazu bei, aus diesem Wechselspiel von Schein und Sein ganz titelgerecht jeweils das herauszuholen, was ihnen selbst und dem Publikum gefällt. Diesen Aspekt nimmt die Regisseurin viel wichtiger als die vier happyendlichen Hochzeiten, mit denen die Komödie eigentlich endet. Um es preußisch zu sagen: Jeder möge nach seiner Façon selig werden. Wahrscheinlich läuft darauf die gesamte Programmatik des Staatstheaters Wiesbaden unter der neuen Leitung Uwe Eric Laufenbergs hinaus.