Foto: "Patricks Trick" am TdjW Leipzig © Tom Schulze
Text:Tobias Prüwer, am 19. September 2014
Die Uraufführung „Patricks Trick“ gelingt am Leipziger Theater der Jungen Welt als Stück für Klein und Groß
Inklusion ist in aller Munde. Doch wenn sie praktisch werden soll, zum Beispiel in der Schule, fehlen die nötigen Mittel. Dass man mit wenigen Mitteln immerhin ein gelungenes Theaterstück rund um das Thema Inklusion inszenieren kann, beweist Regisseur Jörg Wesemüller am Theater der Jungen Welt (TdJW). Seine Uraufführung von „Patricks Trick“ (Text: Kristo Šagor) geht trotzt schwerem Thema mit gewinnender Leichtigkeit über die Bühne. Dort entwickelt sich, die Zuschauer sitzen auf zwei Seiten arenaartig dicht dran, ein turbulentes Spiel um Behinderung, Freundschaft und Reifeprozesse. Die mit bunten Stoffschläuchen und -säcken – sie hängen im Raum oder stehen herum – ausgestaltete Aktionsfläche macht dabei nicht nur optisch einiges her, sondern wird intensiv bespielt.
Der elfjährige Patrick bekommt zufällig ein Gespräch seiner Eltern mit und erfährt, dass er einen Bruder bekommen wird. Patrick freut sich, aber die Eltern scheinen bedrückt. Erst nach und nach findet er heraus, dass sein Bruder wohl behindert sein wird. Und vielleicht nie sprechen lernen wird. Wie soll er denn damit umgehen und kann er seinen Eltern beziehungsweise dem Bruder nicht helfen? Da muss doch etwas zu machen sein, weshalb er seinen Kumpel Valentin fragt, Rat bei einem kroatischem Kraftmeier und kauzige Professor einholt, bei einer etwas zurückgebliebenen Obstverkäuferin und seiner schönen wie klugen Deutschlehrerin.
Den für Zuschauer ab elf Jahren – in Patricks Alter – geeigneten Stoff bringen im TdJW zwei Schauspieler dar. Der Clou, oder eben Patricks Trick: Er stellt sich den ungeborenen Bruder schon einmal vor und will mit diesem fiktiven Gesprächspartner gemeinsam herausfinden, wie man diesem helfen kann. Dazu schlüpfen die Schauspieler Stephan Fiedler in Kevin Körber in wechselnde Rollen und geben Patricks Eltern, die Lehrerin etc. Das geschieht durch kleine Requisiten – eine Perücke aus roten Schnüren für die Mutter, ein unters T-Shirt geschobener Ball kennzeichnet als Bauch den Vater, eine Bandage den Boxer – und große Mimik und Geste. Die beiden bringen durchweg überzeichnete Charaktere auf die Bühne, deren Darstellung mit einem jeweiligen musikalischen Motiv noch unterstützt und plastischer wird. Im überzeugenden, variantenreichen Spiel kann es dann auch sehr physisch zugehen, wenn Patrick über den Schulhof geschubst wird, oder mit dem ganzen Körper demonstriert, wie das Verfallsdatum auf die Milchpackung geprägt wird.
Weil die beiden mal erzählen, mal eine Szene ausspielen, ist ihre gute Stunde nicht nur voller Abwechslung, sondern kann durch hohes Tempo auch die Zuschauerkonzentration halten. Allerlei Gags und originelle Texteinfälle, Wortspiele und auch ein Paul-Celan-Zitat inklusive, Slapstick und Situationskomik runden die Inszenierung ab.
Wie nebenbei macht die Inszenierung klar, dass jeder Mensch irgendwie anders ist und die Gleichung behindert = unnormal so nicht aufgeht. Damit gewinnt das ausgezeichnete Jugendstück – nominiert für den Deutschen Kindertheaterpreis 2014, mit dem Jugendtheaterpreis Baden-Württemberg 2014 gekrönt – einigen Reiz für erwachsenes Publikum. Da kann nur staunen, mit wie wenigen Mittel man einen so rollenreichen Stoff als überzeugenden Zweipersonenabend gestalten kann.