Foto: Szene mit Anja Dreischmeier und Ravi Marcel Büttke © Marek Kruszewski
Text:Jan Fischer, am 14. Juli 2014
Eine eigenartige Gruppe zuckelt über den Braunschweiger Magnikirchplatz. Die eine Hälfte – die Bergarbeiter – trägt schwarze Augenbinden, die andere Hälfte – die Wächter – versucht sie zu führen. Es gibt Gelächter – und, ja – auf dem selbstverständlich kopfsteingepflasterten Platz auch einiges an Gestolper. Es sind die Besucher der Premiere des Stückes „Heldenblut“, geschrieben von der 1985 geborenen Dramatikerin Anne Nather. Es ist ihr erstes Jugendtheaterstück. Sebastian Wirnitzer inszeniert das Stück als Stationentheaterstück rund um die in der historischen Innenstadt gelegene Spielstätte „Haus Drei“ des Braunschweiger Jungen Staatstheater. Gleich zu Anfang, dann noch im Theaterraum, arbeitet das Stück mit Gruppenzuweisungen. Die Besucher werden in Zweier- oder Dreiergruppen hereingeführt, „Ihr seid die Guten“, wird ihnen mitgeteilt, „aber nicht weitersagen!“.
Auf der Bühne entspinnt sich dann eine allegorische High-Fantasy-Geschichte, die sich Jugendbücher wie Ottfried Preußlers „Krabat“ zum Vorbild nimmt und nach dem Muster eine Heldenerzählung gestrickt ist. Die Geschichte erzählt von Joni und Leosch, den Brüdern, die im Land Schlundrien wohnen, in dem der böse Herrscher Schlund ein perfides System errichtet hat, in dem es nur Wächter und Bergarbeiter gibt: Die einen schuften und erblinden in Minen, die anderen sorgen dafür, dass das auch so bleibt. Wer was wird, ist zufällig – vielleicht abhängig von der Geburt, vielleicht abhängig von der Willkür des Herrschers. Leosch jedenfalls möchte gerne Wächter werden, Joni muss schon mit 9 Jahren seinen Dienst in der Mine antreten. Als Leosch klar wird, dass das Wächterdasein auch nicht das Wahre ist, fliehen die beiden in den Wald, wo sie eine Gruppe Ausgestoßener treffen, mit deren Hilfe sie schließlich versuchen, den Herrscher Schlund zu stürzen. Und nebenbei noch einiges über ihren Vater erfahren.
Sebastian Wirnitzer inszeniert Nathers Stück über Gerechtigkeit und willkürliche Zuweisungen mit Liebe zum Detail. Der Theatergarten wird mit Hängematten, Wäschestücken und Lagerfeuer zum Ausgestoßenenlager, es gibt eine Puppenspielsequenz, das innere der Braunschweiger Magnikirche bietet eine beeindruckende Kulissen für den Showdown zwischen den beiden Brüdern sowie Schlund und seinem Drachen. Immer wieder wird auch das Publikum einbezogen, wird zu Wächtern und Bargarbeitern erklärt und bekommt kleine Aufgaben, immer wieder gibt es auch kleine und große Knalleffekte – der Drache, beispielweise, spuckt mit Hilfe einiger Feuerschlucker tatsächlich Feuer und wird gespielt von einem Seidentuch, dass über die Zuschauerbänke flattert.
Alles in allem ist „Heldenblut“ ein sauber durchgezogene Erzählung über Freundschaft, Gerechtigkeit und unfaire Zuweisungen, die sich wahrscheinlich in den nächsten Jahren auch noch auf die Spielpläne anderer Jugendtheater schleichen dürfte. Wirnitzer setzt die Geschichte in Braunschweg jedenfalls spannend und kurzweilig um. Die Freude der Darsteller am Spiel und vor allem auch Blödsinn tut ein übriges für einen Theaterabend, der nicht nur Kinder und Jugendliche unterhalten dürfte.