Foto: "Soul Kitchen" mit Franziska Schlaghecke (Lucia), Isabel Zeumer (Sokrates), Martin Bringmann (Zinos), Sascha Maria Icks (Nadine), Sebastian Zumpe (Neumann), Jennifer Sabel (Anna), Andreas Hammer (Illias) und Andreas Möckel (Shayn) © Heiko Sandelmann
Text:Jens Fischer, am 10. April 2014
Das passt! Die ländlich-bäuerliche Vergangenheit ist noch zu ahnen, doch durch ihre Hafennähe wurden die Viertel vor allem proletarisch geprägt, mit bürgerlichem Zuckerbäckerbauwerk geschmückt und von sozialem Wohnungsbau durchsetzt. Eine heutzutage stark migrantisch geprägte, von Arbeitslosigkeit besonders betroffene Bevölkerung brachte sowohl Wilhelmsburg wie auch Lehe das Stigma Problemstadtteil ein. Wo die Suche nach eigenen Wurzeln natürlich besonders virulent ist und zur Ablenkung gern ein partykrachendes Lebensgefühl zelebriert wird. Wie eben in Fatih Akins „Soul kitchen“-Kneipe an der Wilhelmsburger Industriestraße. Eine Bastion des Wohlfühlens, inszeniert aus plapperlustigem Miteinander, Essen und Musik. Aber auch ein hoffnungsloses Objekt für die Küchenchefs aller TV-Sender. Neu eröffnet wurde es jetzt in Bremerhaven-Lehe.
Geradezu ideal die Koinzidenz, dass der Spielort des Films sowie der Theateruraufführung des Drehbuchs mehr als 100 Jahre alt sind und beide den Pleitegeier als Untermieter haben. Damit eine happy enden wollende Märchenhandlung in Gang kommt, wird „Soul kitchen“ erstmal als Heimat idyllisiert – und dann bedroht: Gegner sind Gesundheitsamt, Fiskus, kleinkrimineller Egoismus, Makler, ein Bandscheibenvorfall und eine eisig schöne Karrieretussi. Schon passt gar nichts mehr. Nutzte Akin für seine lebensfroh laute Hommage an die Hamburger Kiezboheme eine schäbige Lagerhalle, mietete das Stadttheater Bremerhaven an der Leher Lutherstraße die denkmalschutzwürdige Turnhalle der ehemaligen Theodor-Strom-Schule, die seit Jahren von Pächtern auf Edel-Gastronomie getrimmt wurde. Es sieht daher einfach zu glitzernd schnieke aus, als dass man dort abgestandenes Frittierfett müffeln und Fischstäbchen auf welkem Salatblatt mit Sahnesoße auf der Karte vermuten würde. Zudem zeigt die Theateraufführung vor allem, wie gut die virilen Prollcharme-Typen der Filmkomödie besetzt und gespielt waren. In Bremerhaven kann nur Martin Bringmann als herziger Gastronom eine eigenständige Rollengestaltung gegen die Filmvorlage behaupten – und mit Jennifer Sabel auch aufkeimende Zuneigung so augenzwinkernd überzeugend wie warmherzig gestalten. Das Ensemble spielt ansonsten gekonnt unterhaltsam die Handlung nach, ohne zu vermitteln, warum dieser Stoff Theater werden musste.
So funkeln die Defizite: Regisseur Tim Egloff bläst die ansatzweise mehrschichtigen Charaktere noch deutlicher als Akin zu Stereotypen auf, so dass beispielsweise der zynische Immobilienhai, steuerbetrügende Filou und Schulfreund des „Soul kitchen“–Kneipiers nur noch als Immobilienhai kenntlich und mit Sexpuppe im Arm sehr schlicht sehr lächerlich gemacht wird. Nicht spannungs- aber temporeich werden zwar Podien, Tische, Gänge und Theke bespielt, die Szenen allerdings nie mal parallel weiterentwickelt oder mit theatertypischen Darstellungsmöglichkeiten lässig erkenntnishell aufgebrochen. Stattdessen schneidet Egloff filmisch hin und her, erzählt brav geradeaus und betont dabei, mit welch robuster Grobheit Akin die Handlungspartikel und Gagwirbelei zusammengestrickt hatte. Kommt’s dann bei einem aphrodisiakisch gewürzten Mahl zur Sexorgie, ist das auf der Leinwand ein klamaukiger Spaß, in Bremerhaven nur verschämtes Gefummel.
Völlig ignoriert wird der Triumph des Films, ohne Spurenelemente jedweder Integrationsdiskurse den Multikultialltag als selbstverständlich zu behaupten und ihn selbstverständlich von einem Multikultiensemble darstellen zu lassen. Wenn eine handwerklich solide Straßenfestband schließlich funky Soul-Hits covert, ist das leider auch kein Aufreger, Mitreißer, Kultstatusverleiher. Die Musiker bringen die Aufführung nicht zum Grooven wie es im Kino dem Soundtrack gelang. Für alle Cineasten, die den Film bereits goutiert habe, bietet der Theaterbesuch also kaum einen Mehrwert, alle anderen könnten genießen, wie vergnüglich sich das Stadttheater im Alltag seiner Heimatstadt verortet. Das passt dann schon …