Foto: Szene mit Hans-Michael Rehberg (Davis), Norman Hacker (Mick), Shenja Lacher (Aston) © Ruth Walz
Text:Anne Fritsch, am 3. April 2014
Als der englische Dramatiker Harold Pinter 2005 den Nobelpreis für Literatur bekam, war das für die meisten eine Überraschung, für viele ein Ärgernis. Jetzt inszenierte Andrea Breth Pinters Stück „Der Hausmeister“ am Residenztheater, ihre erste Arbeit in München. Dieses Stück, das 1960 in London uraufgeführt wurde und inzwischen in den Archiven der Theaterwissenschaft versunken ist. Für die Titelrolle hat sie sich Hans-Michael Rehberg mitgebracht, diesen großen Alten, der vor über 50 Jahren in München seine Karriere begann und hier zuletzt als „Der verkaufte Großvater“ in der Inszenierung von Franz Xaver Kroetz am Volkstheater brillierte. Und nun also als „Hausmeister“.
Annette Murschetz hat einen Verschlag auf die Bühne gebaut, der von oben bis unten zugemüllt – nein: zugesammelt – ist. Schubladen, Zeitungen, Schraubenschachteln, Rasenmäher und ungezählter Kram türmen sich zu obskuren Skulpturen auf und lassen kaum Raum zum Bewegen. Von der Decke hängt eine nackte Glühbirne und ein Eimer für das Wasser, das durchs Dach tropft. (Wie wohl die anderen Zimmer aussehen, die „unbewohnbaren“, wenn dieses das „bewohnbare“ ist?) Auf einem Bett sitzt ein Mann, den Rücken zum Publikum: Aston. Ein gutmütiger und in sich ruhender Mensch – wäre da nicht die Sache mit seinem Gehirn, dieser Eingriff, der in einer psychatrischen Klinik durchgeführt wurde. Shenja Lacher erzählt davon in einem großen Monolog. Lächelnd in der Erinnerung an seinen Widerstand, der doch nutzlos war. Überhaupt verleiht er dieser stillen Figur, die ewig an einem kaputten Stecker schrauben kann, eine tiefe Würde. Das ist kein naiver Schwachsinniger, sondern ein besonderer Mensch.
Dieser Mensch nun nimmt einen Gast mit in sein kleines Reich: den Landstreicher Davies. Einen Gast, der nicht mehr geht, der zur Plage wird. Nachts macht er Geräusche, immer stinkt er. Doch Aston duldet ihn, gibt ihm ein Bett und neue Schuhe, macht ihn zum Hausmeister. Hans-Michael Rehberg spielt den Alten, der nicht eben ein Sympathieträger ist, der keine Gelegenheit auslässt, über die Ausländer an sich und die Neger im besonderen zu schimpfen, und der das Spiel mit dem Mitgefühl der anderen perfekt beherrscht. Dennoch: Die beiden Außenseiter arrangieren sich, es entstehen kurze Momente der Nähe, der Vertrautheit. Zusammen ist man halt weniger allein. Aber allein sind die beiden eh nicht. Da ist ja noch Mick, seines Zeichens der Besitzer der Bruchbude, selbsternannter Unternehmer und Astons Bruder. Ein echter Macker, das Gegenteil des zarten Astons. Norman Hacker spielt ihn voll Inbrunst und Testoteron, lässt aber auch die Brüchigkeit der Figur aufscheinen. Mick will das Gebäude luxussanieren und traut dem Arbeitseifer seines Bruders nicht. Er will Davies für seine Zwecke einspannen – und der nimmt die Einladung zum intriganten Doppelspiel zwischen den Brüdern gerne an.
Pinters Figuren reden viel. Jeder erzählt jedem irgendwas, oft ohne erkennbaren Zusammenhang. Dialoge sind selten, eher reihen sich hier Selbstgespräche aneinander. Wenn zwei doch mal miteinander und nicht aneinander vorbei sprechen, drehen sich die Gespräche im Kreis, schrauben sich immer weiter in abstrus-komische Wiederholungen und Variationen des ewig Gleichen. Auch am Ende weiß man nicht, wer diese Menschen eigentlich sind. Alle drei haben in ihrer Verschiedenheit eins gemeinsam: Sie sind gefangen in einem Stillstand, in dem alles möglich ist, aber nichts geschieht. Sie leben in einem ewigen „Wenn“, auf das nie ein „Dann“ folgt.
Andrea Breth lässt Pinters Worten – und seinen Pausen – viel Raum. Sie inzeniert Wort für Wort, Schweigen für Schweigen, dehnt den Stillstand bis zum Zerreißen aus. Zweieinhalb sehr lange Stunden reden ihre Figuren über alles – und nichts. Ein Ärgernis ist das nicht, aber auch keine Überraschung.