Foto: Szene aus Thorsten Weckherlins Abschiedsinszenierung in Dinslaken © Burghofbühne Dinslaken
Text:Hans-Christoph Zimmermann, am 31. März 2014
Sind Konflikte bis in Details vorhersagbar? Geschichte wiederholt sich nicht, so lautet be-kanntlich ein Mantra der Historikerzunft. Doch Robert Thalheims und Kolja Mensings szeni-sche Recherche „Moschee DE“, die im Nachklang zum Moschee-Bau in Berlin-Heinersdorf entstand, lässt daran zweifeln. Das auf der Basis von Interviews entstandene Dokumentar-stück führt einen Pfarrer, den Vorsitzenden einer Bürgerinitiative, eine Zugezogene, einen Imam und einen Konvertit zusammen, die fast idealtypisch (und bis ins komische Klischee) einen Streit austragen, der so in nahezu jeder deutschen Stadt geführt werden könnte. In Dinslaken wird derzeit zwar keine Moschee gebaut, aber der Stadtteil Lohberg soll eine starke salafistische Szene besitzen, die Konvertierte als Kämpfer nach Syrien schickt und deshalb kürzlich in die Medien geriet. Das war Anlass genug für Thorsten Weckherlin, um sich nach zehn Jahren Intendanz an der Burghofbühne nun mit einer Inszenierung von „Moschee DE“ zu verabschieden.
Die Kathrin Türks-Halle ist zu einer Arena-Bühne umgebaut, die Zuschauer sitzen zu beiden Seiten einer Turnhalle mit Kästen, Matten, Bänken und Basketbällen. Weckherlin als sein eigener Bühnenbildner entscheidet sich für größere Nähe zum Publikum und ein Wettkampf-Setting – das allerdings wie auch weitere szenische Details aus der Uraufführung 2010 in Hannover übernommen wurden. Nachdem der Pfarrer und die Zugezogene ein kitschiges In-klusions-Liedchen („Aufsteh’n, aufeinander zugeh’n“) intoniert haben, geht es in den Infight. Anton Schieffer als Vorsitzender der Bürgerinitiative gibt den jovialen Volksvertreter, der den Widerstand organisiert. Geschickt jongliert er mit Halbwissen (Koran), Fortschrittlichkeit (Emanzipation der Frau), eingestandener Irritation (die lesbische Tochter) und Heimatverbun-denheit („gewachsene Strukturen“), hält dabei engen Kontakt zum Publikum – und tritt bei-läufig auf eine Matte, die der Konvertit als Gebetsteppich benutzt. Als seine Widersacherin entpuppt sich bald die Zugezogene (Lara Christine Schmidt), die sich naiv in ihrer eigenen liberalen Beflissenheit sonnt, bis die demokratische Fassade rissig wird.
Weckherlin führt die Figuren zunächst fast choreographisch im Raum, lässt mal den einen, mal die andere ins Zentrum treten, bevor er die Arrangements verdichtet. Fast schon absurd, wenn sich die Gruppe auf Basketbälle setzt und darüber diskutiert, ob ein christlicher Mann einer Muslima die Hand geben darf. Zwei Kästen auf jeder Seite mit Pfarrer und Vorsitzen-dem sowie Zugezogener und Imam lassen an eine Gerichtssituation denken. Vor allem die Figur des Imam wirft allerdings die Frage auf, wie viel Interpretation eine Dokumentation (die ja selbst schon Interpretation ist) verträgt. Carlo Sohn tritt wie in der Uraufführung im modern geschnittenen Anzug auf. Seine ruhige Argumentation und die distanzierte Höflich-keit verleihen ihm den Glanz muslimischer Weltläufigkeit. Diese soziale Distinktion, die Dis-tanz zu allen übrigen wird allerdings nicht thematisiert. Umso mehr als Markus Rührer den Konvertit mit einer tumben Beflissenheit und Geständnisseligkeit ausstattet, die die Züge der Karikatur streift. Darin steht er dem christlichen Pfarrer in nichts nach. Christoph Bahr in Bir-kenstocksandalen frönt einer ranzigen Ökumene, verteilt verbale Beschwichtigungszückerchen und steigert sich schließlich in einer Predigt in eine abstruse Abgrenzung zum Islam hinein. Auch wenn man sich gelegentlich mehr Mut von der Regie gewünscht hätte, gelingt es Weckherlin die brüchigen Koalitionen und changierenden Argumentationsmuster deutlich zu machen, ohne dabei die grotesken Momente zu unterschlagen.