Foto: Máté Sólyom-Nagy als Joseph Süß Oppenheimer © Theater Erfurt, Lutz Edelhoff
Text:Ute Grundmann, am 23. März 2014
Der rote Käfig, der Kerker, schwebt von Anfang an bedrohlich über der Szenerie aus grau-schwarzen Säulen und dem Leben des Joseph Süß. Und genauso eindeutig ist die Farbgebung in den Kostümen (Ausstattung: Peter Sykora): Aus der Gesellschaft in Grau und Weiß sticht Jospeh Süß Oppenheimer (Máté Sólyom-Nagy) im flammend-roten, höfischen Gewand heraus, markiert als Außenseiter von Anfang an. So eindeutig, aber nie plakativ hat Intendant Guy Montavon am Theater Erfurt Detlev Glanerts Oper „Joseph Süß“, uraufgeführt 1999, inszeniert. Und gleich zu Beginn macht er klar, dass es ihm nicht nur um die historische Figur geht, die zu einem der übelsten Nazi-Hetzfilme herhalten musste.
Das erste, was die Zuschauer sehen, ist ein grauer Foto-Wald mit dem Schild „Juden sind in unseren deutschen Wäldern nicht erwünscht“, dann erzählen zwei Typen mit Kinderwagen üble Juden-Witze. Erst dann beginnt, in aufwendigen historischen Kostümen und Perücken, die Handlung um Joseph Süß Oppenheimer, den Bankier des geld- und genußsüchtigen Herzogs Karl Alexander von Württemberg (Stephen Bronk), der vor allem durch die Intrigen des Sprechers der Landstände Weissensee (Robert Wörle), zu Fall und an den Galgen gebracht wird.
So erschallt bald, nachdem die Oper mit sanftem Tropfengeräusch, sanften Streichern begann und sich in dumpfes Klavier und harte Bläsertöne steigert, der böse Sprechgesang des „Judas! Juda! Süß!“, der in „Asche, Asche, Asche“ weiterraschelt. Und wenn Süß warnt, „fordert Jahwe nicht zur Rache heraus“, bleibt im Echo nur „Rache, Rache“ übrig. Szene und Musik, eng verzahnt, machen so immer wieder deutlich, wie aus Stimmungen Vorurteile, aus den Einflüsterungen eines Denunzianten in rhythmischem Sprechgesang Gefahr und aus dem von Andreas Ketelhut einstudierten Chor der Hofgesellschaft Meute und Gericht zugleich wird.
Das Philharmonische Orchester Erfurt unter Samuel Bächli läßt eindrucksvoll alle Facetten von Glanerts Musik klingen, der immer wieder den harten Schlag der zufallenden Kerkertür einbringt, das Orchester aber auch kurzangebunden, mächtig, die Aggressivität der vielen Stimmen aufnehmen lässt. Und so machen Musik und Szene schon klar, als Süß noch von Ruhm und Ehre für sein Volk träumt und singt, dass es anders enden wird. Máté Sólyom-Nagy in der Titelpartie steht da – elegant, selbstbewußt, wohlklingend – an der Spitze eines Ensembles von überzeugenden Sängerdarstellern: Ob die anrührend-naive Tochter Naemi (Henriette Gödde), auch sie farbig gekleidet, der furchtsam warnende Rabbiner Magus (Jan Rouwen Hendriks) oder Weissensees Tochter Magdalena (Marisca Mulder), ein Opfer auch sie. So sind und bleiben Glanerts Musik und Montavons Inszenierung in 90 kurzen Minuten eindringlich, beklemmend, verstörend – und in das Stimmen-Crescendo des Endes hat Joseph Süß das letzte Wort: „Ich bin unschuldig“.