Foto: "Gräfin von Marcia" am Theater Pforzheim. Edward Lee (Baron Kolomán Zsupán), Tatiana Larina (Gräfin Mariza), Lisa (Franziska Tiedtke) und Klaus Geber (Graf Populescu), von vorne © Sabine Haymann
Text:Eckehard Uhlig, am 2. Januar 2014
Wie moussierender Champagner kann Emmerich Kálmáns Operette „Gräfin Mariza“ schäumen und perlen. Und genau so präsentierte Wolf Widders Inszenierung das Glanzstück der silbernen Operetten-Ära zu Silvester im Pforzheimer Stadttheater: Charmant verspielt in der rhythmischen Verve seiner populären Musik, gespickt mit Ironie und Klamauk, aber auch sentimental als ungarisch-wienerische Melange.
Wie die Habsburger-Monarchie mit ihren aristokratischen Allüren war Wien – 1924 Uraufführungsort der Operette – während der Nach-Weltkriegs-Krise in nostalgischen Operetten-Erinnerungen versunken, in denen sich der fesche, aber verarmte Graf Tassilo inkognito als Gutsverwalter und sein heiratswilliges Schwesterlein Lisa als Freundin der Gräfin Mariza auf deren ungarischem Landgut tummeln. Da gibt es zudem den von Mariza erfundenen Bräutigam Baron Zsupán, der plötzlich reale Gestalt annimmt, das gräfliche Schmarotzergefolge sowie allerhand Domestiken und Zigeuner. Auf freundlich heller Bühne mit kaisergelber Gutshaus-Verandafront und Rosengitter (für Bild und kostümprächtige Ausstattung zeichnet Petra Molérus verantwortlich) hat Operndirektor Widder die Aufklärung und Lösung aller Liebeshändel- und Verwicklungen sorgfältig herausgearbeitet und verhilft so der Musik zu anrührendem Sentiment. Sogar der sozialkritische Aspekt wird nicht vergessen: ein Maschendrahtkäfig hält das Landvolk zu den adeligen Schwerenötern auf Distanz.
Mit funkelndem Instrumental-Kolorit zünden Martin Hannus (musikalische Leitung) und die Badische Philharmonie die Ouvertüre zum musikantischen Feuerwerk. Im langen, aber kurzweiligen ersten Akt lösen die von rauschenden Chören begleiteten Auftritte der Protagonisten anmutige Reigen und Kinderchöre in ländlicher Idylle ab. Hier haben die Ohrwurm-Melodien und Walzerlieder ihren Platz. Darunter „Grüß mir die süßen, die reizenden Frauen im schönen Wien“, womit sich Tassilo (Bernhard Hirtreiter in der Premieren-Besetzung) einführt und seine tenoral gehärtete Stimme glanzvoll vorstellt. Oder, ebenfalls zuerst von ihm intoniert, das schwermütige „Komm Zigan, spiel mir was vor“, in das vollmundig der von Manja (Marie-Kristin Schäfer in der Premiere) angeführte Chor der Zigeuner und Bauern einstimmt. Auch der buffoneske Zsupán (Premiere-Besetzung Ben-jamin-Edouard Savoie) kann mit seinem Lied „Komm mit nach Varazdin“ begeistern. Freilich beherrscht bald Tatiana Larina (in der Premiere) als Gräfin Mariza mit durchschlagender Bühnenpräsenz die Szene: Launisch und lebensfroh, umschwärmt von notorischen Verehrern wie Fürst Populescu (Klaus Geber macht bella figura als Frack- und Ordensträger), betört die elegant gekleidete Sopranistin ihre Umgebung mit klangschönem Timbre, so dass man gern verzeiht, wenn ihre auf dem Verlobungsfest gesungenen Texte nur selten verständlich sind.
Im zweiten Akt folgt nach optimistischem Zsupán-Lisa-Duett (mit Franziska Tiedtke) „Ich möchte träumen von Dir“ und dem originell in die Cabaret-Szene eingefügten, feurig-wilden Zigeuner-Tanz (Choreographie James Sutherland), der das übliche Operetten-Gehopse in seinen Schatten stellt, der tragische Scheinschluss: Die Liebenden (Mariza und Tassilo) finden (noch) nicht zueinander, „gebrochene Herzen fliegen nur so in der Luft herum“. Im letzten Akt haben vor dem glücklichen Liebesfinale ziemlich überflüssig wirkende Komiker das Wort – die damenhaft-altmodische Fürstin Bozena (Lilian Huynen), die Tassilo großzügig aus seinen Geldnöten befreit, und ihr mit Klassiker-Zitaten um sich werfender Hofnarren-Begleiter Penizek (Holger Teßmann). Sonderapplaus verdient sich die vierköpfige balkanesische Bühnenmusik, die (in der Premiere) von Teufelsgeiger Attila Barta brillant angeführt wird und den champagnerlaunigen Silvesterabend im Pforzheimer Stadttheater durchgehend mit stimmungsvoller Melancholie grundiert.