Foto: "La forca del destino" © Wilfried Hösl
Text:Klaus Kalchschmid, am 30. Dezember 2013
Nach der Pause – zu Beginn des zweiten Akts – leises Stöhnen des Premieren-Publikums im Parkett. Denn da springt dem Zuschauer in Martin Kušejs bislang seltsam braver Inszenierung das erste, nachhaltig verstörende Bild entgegen: Der Grundriss eines von einer Bombe zerstörten Hauses mit seinen Mauerresten – aus der Vogelperspektive zu sehen. Darin Liebespaare in Schockstarre, wie man sie in Pompeji gefunden hat, hier lebendig und unmerklich immer wieder ihre Stellung verändernd. Dazu – wie auf Bildern aus Abu Graib – halbnackte, blutige Männer, die als Hunde an der Leine gezogen am Boden kriechen, und ein Mensch, der mysteriös aus einem Sarg die Wand hochschreitet. Schon zuvor sah man die Andeutung zerschmolzener Eisenträger und von grauem Staub eingehüllte Menschen wie nach dem Einsturz des World Trade Center am 11. September 2001 (Bühne: Martin Zehetgruber).
Am Ende gab es einige Buhs für das Regie-Team, aber galten sie diesen Bildern oder vielmehr der Harmlosigkeit, mit der Kušej den Rest inszenierte? Immer wieder kehrt der Abend in das Zimmer Leonoras zurück, im dem sie zur Ouvertüre mit Vater, Geschwistern, Body Guard und Diener zu Abend isst (und ihr Leben eine tragische Wendung nahm), auch wenn es später aussieht wie ein Gemeidesaal der 1970er. Die Geschichte der „Forza“ ist eigentlich die eines modernen „Ehren-Mords“: Vater wird versehentlich durch einen Schuss des Mannes getötet, der die Tochter gegen seinen Willen heiraten und vorher mit ihr durchbrennen will. Bruder schwört Rache an beiden, verfolgt den Liebhaber bis ins Kloster, reizt ihn bis aufs Blut und fällt im Duell, das er so heiß ersehnte; im Sterben tötet er die Schwester. Nein, „Die Macht des Schicksals“ ist das nicht, sondern die Geschichte der Unmöglichkeit von Vergebung, und eine heute schwer vermittelbare Handlung. Sie mit den Hammer-Bildern der Welt- (Kriegs-)Geschichte zu illustrieren, macht sie nicht verständlicher, sondern kleiner.
Doch es stehen Weltklassesänger auf der Bühne, die – in Rollendebüts! – den ganzen Abend tragen: Allen voran Anja Harteros. Nicht nur gönnt Verdi der Leonora die größte musikalische und charakterliche Entwicklung – auch wenn sie im gesamten, langen dritten Akt nicht auftritt -, die Harteros erfüllt das mit soviel musikalischer Intensität dank ihres in jeder Lage bis hin in die fantastisch gerundeten Spitzentöne so gehaltvollen Soprans. Jonas Kaufmanns dunkel geerdeter Tenor als Don Alvaro passt zu dieser Stimme, als wäre er dafür gemacht. Wenn die beiden zusammen auf der Bühne sind (was leider selten ist in dieser Oper), dann ist das Glück vollkommen, aber auch wenn Kaufmann auf den hasserfüllten Bruder Don Carlo di Vargas in Gestalt des großartigen, herrlichen Verdi-Baritons Ludovic Tézier trifft, ereignet sich ganz große Oper und sogar Vitalij Kowaljow in der Doppelrolle des bösen und des guten „Padre“, also als Marchese di Calatrava wie Padre Guardiano überzeugt mit warmem, intensivem Bass. Nur schade, dass Asher Fisch das Staatsorchester oft allzu simpel lärmen lässt und kaum je Feinschliff oder sehnige Flexibilität des Klangs erreicht.
_Kostenloser Livestream am 28. Dezember 2013 (18 Uhr) über www.staatsoper.de/tv_