Text:Wolf-Dieter Peter, am 4. November 2013
„Mozärtliche“ Bearbeitungen gibt es viele. Nun ist Enoch zu Guttenberg in die Fußspuren Karajans getreten: als Dirigent und Regisseur bietet er eine spezielle Fassung der „Zauberflöte“. Sein dramaturgischer Weggefährte Klaus Jörg Schönmetzler hat ihm dazu neue Zwischentexte geschrieben: als Haupterfindung dieser Fassung lungert da ein ergrauter, bodenständig lebensweiser Papageno herum, erzählt „wie es wirklich war“ und kommentiert alles aus der Sicht des einfachen Mannes. Das ist eine Paraderolle für Gert Anthoff, der auf der Ebene des ja in Straubing geborenen Emanuel Schickaneder zwischen einer Halben Bier und einer Flasche Wein die „hohe Handlung mit Prinz, Königin, Schlange und Zauberflöte“ immer wieder im Stil des Wiener Vorstadttheaters „erdet“ – Gelächter, Szenenbeifall und Bravosturm am Ende.
Anthoffs witzige, weil auch wiederholt urbayerische Grantelei am Gepränge der Großen der Welt wirkt auch deshalb, weil sich Guttenberg vom ursprünglichen Spielort der Produktion – Schloss Herrenchiemsee – und von den Separatvorstellungen König Ludwigs II. inspirieren ließ. Dort hat der sich nicht nur mit Richard Wagner in illusionistischen Rollenspielen gefallende Ludwig schon zu Lebzeiten hochmoderne Lichtspiele aufführen lassen – was jetzt im Vorspiel vorgeführt wird. Guttenberg deutet folglich die Figuren um und kostümiert sie entsprechend: Ludwig gleich Sarastro, Tamino gleich Kaiser Franz Joseph, Pamina gleich Elisabeth-Sissi, Königin der Nacht gleich Erzherzogin Sophie, Papageno gleich Herzog Max Emanuel, Monostatos gleich Bismarck – und da wird es dann aber definitiv historisch schief, so pfiffig Martin Petzold auch agiert und sogar einen Sturz in den Orchestergraben souverän „wegspielt“. So hübsch alles als „Theater im Park vor Herrenchiemsee-Fassade“ wirkt: der ganze aufklärerische und humane Anspruch, der eben auch in Mozarts „Zauberflöte“ steckt, bleibt auf der Strecke; der Konflikt Sarastro-Königin der Nacht ist nicht mit „Ost-West und Links-Rechts“ auch nur in Annäherung zu erklären…
So blieb die Freude am zupackenden Klangbild der „KlangVerwaltung“ unter Guttenbergs hochemotionaler Leitung, am vollem „Sound“ der in ganzer Bühnenbreite aufgereihten Chorgemeinschaft Neubeuern, an den drei fabulös mitspielenden und exzellent singenden Tölzer Knaben und den durchweg guten Solisten – mit einem zusätzlichen „Brava!“ an Antje Bitterlichs Königin der Nacht. Sie im dunkelblauen Sternenlicht-Zauber und viele andere schöne Bildwirkungen schienen dem Premierenpublikum mit vielen „von und zu…“ zu genügen – doch Mozart meinte viel mehr und Tieferes.