Foto: "Endlich Eiszeit" nach Wilhelm Hauffs "Das kalte Herz" Am LTT. Margarita Wiesner, Valerie Oberhof © Patrick Pfeiffer / LTT
Text:Wilhelm Triebold, am 25. November 2013
Als erstes kam der Uraufführung gleich mal der Autor abhanden. Wegen massiver Eingriffe in seinen Text, so der österreichische Dramatiker Volker Schmidt, sei es nötig gewesen, kurz vor der Tübinger Premiere seinen guten Namen zurückzuziehen und abzureisen. „Endlich Eiszeit“, jetzt nur noch nach Wilhelm Hauff und gar nicht mehr von Schmidt: Da fällt einem Dea Loher ein, die neulich dem Bremer Theater für eine abweichende „Unschuld“-Version wieder die gestrichene Philosophinnen-Figur verordnete.
Um es vorwegzuschicken: Es ist immer noch reichlich Schmidt drin in der Tübinger Neuzeit-Version des Hauffschen Märchens vom „Kalten Herz“. Ein Philosoph taucht hier ebenfalls auf, um zwar keine goldenen Worte des Autors zum Besten zu geben, dafür aber einige kluge Original-Gedanken von Theodor Adorno, aus einem Gespräch mit dem Wahltübinger Ernst Bloch vor einem halben Jahrhundert.
Das handelte von der (Un-)Möglichkeit, sich die eigenen Wünsche oder Träume zu erfüllen und dadurch die Welt zu verändern. Adornos Einsichten sind nun so was wie Kernsätze dieses letztlich dann doch missglückten Theaterabends. Die Fabel von Peter Munk, der ein mitfühlendes Herz spätestens im Tausch gegen einen Stein abhanden kommt, wird seit geraumer Zeit gerne gegen die Auswüchse kapitalistischen Systemfehlverhaltens in Stellung gebracht. Auch hier lernt Peter Munk, in der massig-tapsigen Gestalt des LTT-Schauspielers Patrick Schnicke, nicht nur die Schokoladenseite des Lebens kennen: Gerät in schlechte Gesellschaft und fast auf die schiefe Bahn, scheitert als naiver Glücksritter, wird in der Wüste gekidnappt und macht schließlich an der Börse das dicke Geld. Ein Egotripper, herzlos, aber steinreich. Vor allem jedoch: ohne jede empathische Regung und Bindung.
Da hätte man mehr draus machen können. In Paul-Georg Dittrichs Inszenierung gibt’s stattdessen allerlei Aufgeblasenes auf der Bühne. Die wird ansonsten als Planschbecken für Nichtschwimmer missbraucht. Bindfadenregen aus einer Sprinkleranlage sorgt zwischendurch für frisches Nass in diesem allzu seichten Bassin. Da ist es geradezu fürsorglich, dass Ausstatterin Iris M. Holstein den Mimen wasserabweisende Gummi-Klamotten verpasst hat.
„Endlich Eiszeit“ ist pures Neopren-Theater: Da dringt nichts durch, alles perlt ab. Die Aufführung hat zudem kein Herz und keine Seele, nur mehr oder minder agil agierende Schauspieler. Neben dem präsenten Schnicke schlägt sich Margarita Wiesner als leidensfähige Beinahe-Erlöserin Lisbeth ganz tapfer. Ansonsten viel hohl drehender Leerlauf und Blendwerk – bis hin zu den wattstarken Gegenlicht-Scheinwerfern, mit denen das Publikum wach gehalten wird.
Der Verdacht keimt auf, dass Probengast Volker Schmidt in Tübingen weniger wegen Urheber-Verletzungen als vielmehr wegen der Qualität und des abzeichnenden Inszenierungs-Desasters so zügig das Weite suchte.