Foto: "Neues von den Nibelungen" am LLT. Rupert Hausner, Henry Braun, Andreas Laufer und Dimetrio-Giovanni Rupp © Frank Pieth / LTT
Text:Manfred Jahnke, am 14. Oktober 2013
Zwei Tribünen, auf denen die Schauspieler herumturnen können, rot verschmiert, dominieren die Bühne. Sie können hin und hergeschoben werden und markieren damit den jeweiligen Handlungsort. Das „getrocknete Blut“ in der Farbe Rot verdeutlicht schon, dass es hier in die archaische Welt der Mythen geht. In seinem „komödiantischen Trauerspiel“, „Neues von den Nibelungen“ entwickelt Michael Miensopust am Landestheater Tübingen frei nach Hebbel die Geschichte von Liebe, Verrat und Tod für Menschen ab 12 Jahren.
Ungemein geschickt bricht Miensopust die klassische Tragödie herunter im abstrakten Bühnenraum von Vesna Hiltmann auf ein gegenwärtig wirkendes Spiel von Posen egozentrischer Männer und den Abwehrgesten selbstbewusster junger Frauen. Im Sprechgestus wechseln sich jugendlicher Jargon und Hebbel’sche Hochsprache ab, vom Ensemble mit Bravour gemeistert. Mit einfachsten Zeichen wird dabei die Geschichte, wie Siegfried nach Worms an den Hof von König Gunther kommt, wie er diesem hilft, seine Brunhild zu erobern und Kriemhild zur Frau erhält. Im Königinnenstreit erfährt Brunhild, dass nicht Gunther sie besiegt hat und so muss Siegfried sterben, von Hagen heimtückisch gemordet. Kriemhild sinnt auf Rache. Als König Etzel um sie freit, nimmt sie seine Werbung an und am Ende gibt es nur ein „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Sechs Schauspieler spielen hier neun Rollen. Das geht nur, weil Miensopust durch einen Herold, den Andreas Laufer komödiantisch zwischen sachlichem Kommentator und rasendem Rundfunkreporter anlegt, die Handlung immer wieder strafft. Die Figuren selbst sind eindimensional in ihren Grundhaltungen angelegt. Das aber konsequent, was das komödiantische Potenzial in höchsten Maße ausreizt. Zugleich verfügen die Tübinger über ein wunderbares Ensemble, dem es immer wieder gelingt, mehr als nur eine Persiflage auf den alten Stoff zu spielen. Allen voran zeigt Rupert Hausner als Hagen über das Spiel mit Augenkontakten das Lauernde, Gefährliche seiner Figur. Gunter, in blutrotem Anzug von Henry Braun vorgeführt, agiert wie ein trotzig aufbrausendes Kind, das alles haben muss, auch Brunhild. Und Dimetrio-Giovanni Rupp arbeitet mit wenigen Strichen die strotzende Naivität seiner Siegfried-Figur aus, ein Protzer, der um seine Unbesiegbarkeit weiß und gewohnt ist, nur zu nehmen. Für die tragischen Momente in diesem Männerpanoptikum sind die Frauen zuständig. Magdalena Flade spielt eine schüchtern-verträumte Kriemhild, die in dieser Männerwelt verloren ist und sich zurückzieht, bis sich dann die Chance zur Rache ergibt, die ihr die verspielten Züge wegnimmt: Sie verwandelt sich in männliche Verhärtung. Übel wird Brunhild mitgespielt, sie wird betrogen, zum Objekt männlicher Begierde. Stefanie Klimkait führt das in einer Mischung aus stolzer Haltung, Wut und Trauer über die verlorene Eigenständigkeit vor.
Miensopust setzt in seiner Inszenierung auf hohes Tempo mit genauen Rhythmuswechseln und einem präzisen Timing. Stilistisch benutzt er dabei sinnfällige Bilder, um die Kraft von Siegfried beispielsweise zu zeigen, lässt er ihn auf dem Podest so herumspringen, dass die anderen fast herunterfallen. Das Publikum applaudierte begeistert.