Foto: "Roma Romeo und Sinti Carmen" am Jungen Staatstheater Karlsruhe. Sebastian Reich (José) & Veronika Bachfischer (Carmen) © Felix Grünschloss
Text:Manfred Jahnke, am 24. September 2013
Immer virtuoser schiebt der Autor Holger Schober in seinen Stücken verschiedene Ebenen ineinander, Gegenwart und Vergangenheit, Erzählen und Dialog, Referat und Spiel, Realität und Fiktion. Und stets greift er dabei zu großen Themen, in diesem Fall die Verfolgung der „Zigeuner“ im Dritten Reich und die bis heute anhaltende Diskriminierung von Sinti und Roma. Weil Carmen und Josef der Dritte, beide Wohlstandskinder, sich nicht so besonders sympathisch sind, ist dem Jungen „Ich heiße Adolf Hitler“ herausgerutscht. Die anschließende Schlägerei zwischen den Beiden wird von der Schule mit der Strafaufgabe eines Referats, eben über die Zigeuner, geahndet, das beide gemeinsam erarbeiten und vortragen sollen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten kommen die beiden zusammen und sie beschließen, in den Pfingstferien als Zigeuner mit einem alten Wohnwagen durch Baden-Württemberg zu fahren. Die Geschichte von diesem Roadmovie wird ebenso wie das Referat – und die Powerpoint-Präsentation darf da nicht fehlen -, als Rückblende erzählt. Die beiden sind unterwegs, erzählen von ihren meist nicht guten Erfahrungen, bis dann am Ende der Wohnwagen in einer Kleinstadt von jungen Glatzen abgefackelt wird. Dann führt die Rahmenhandlung wieder in die Gegenwart. Carmen und Josef wenden sich an das Publikum: „Ihr habt das doch jetzt nicht geglaubt oder?“ „Diesen ganzen klischierten Betroffenheitsblödsinn.“ Und sie erzählen noch von einer Begegnung mit einem jungen Zigeuner, der berichtet, wie Jugendliche ihm zugerufen haben: „Hitler hat vergessen euch zu vergasen!“
Das Stück „Roma Romeo und Sinti Carmen“, vollgepfropft mit Pointen, spielt von Anfang bis Ende humorvoll mit Klischees. In der Dramaturgie bildet sich die Naivität der beiden Jugendlichen ab: Ihr Wunsch, in der Verkleidung der Zigeuner deren heutige Erfahrungen mit den immer noch aus alter Zeit geltenden gesellschaftlichen Vorurteilen zu teilen, ist ein Rollenspiel. Wenn Holger Schober dabei seine Figuren aus einer humorvollen Distanz beschreibt, bleibt er andererseits in den Figurenperspektiven hängen, so dass die Erfahrungen von Josef und Carmen oberflächlich bleiben. Sebastian Reich spielt Josef den Dritten mit großer Coolness, macht aber hinter der scheinbar überlegenen männlichen Geste die Unsicherheit seiner Figur durchsichtig, ein einsamer Wolf. Veronika Bachfischer agiert als quirlige Carmen, emotional aufbrausend und hinter aller Aktivität doch auch die Einsamkeit ihrer Figur ausstellend: Eine Liebesgeschichte in Zeiten der Coolness wird auch erzählt. Tim Krstin setzt in seiner Regie auf Tempo. Dabei hilft das Bühnenbild von Maude Vuilleumier, die auf die rechte Seite der Bühne eine große Holzkiste stellt, die zumeist als Wohnwagen dient, aus dem dann auch eine große runde rote Matte und zwei Bettdecken geholt werden, um auf der linken Seite das Zimmer von Carmen anzudeuten. Manchmal verschwinden auch die Spieler durch zwei Türen im Hintergrund, der in der Mitte durch eine Treppe geteilt wird, die zu einem offenen Kleiderschrank führt. So lässt dieser Raum Tempo und Spiel zu.