Cornelius Obonya ist vielleicht nicht viriler, aber agiler als sein Vorgänger Peter Simonischek. Im Gesicht trägt er die Verlebtheit des alten Sünders genauso wie den spitzbübischen Ausdruck von Lebensfreude, Genuss und Schmäh. Sein erster Schrecken geht noch im Festgelage unter, danach darf er ausgiebigst jammern und sich ängstigen. Seine Buhlschaft Brigitte Hobmeier kommt mit dem Fahrrad auf die Bühne und in einem Kleid, das aussieht wie ein weich gezeichnetes Mohnfeld. Später schwingt sie den überweiten roten Rock um Obonya wie ein Torrero sein Tuch. Beeindruckend, wie diese Schauspielerin ihrem kurzen Auftritt den eigenen Stempel aufdrückt und Charakter zeigt, von selbstbewusst frech bis trostlos verzweifelt.
Weitere Ingredienzien dieser wunderbaren Neuinszenierung: Musik, die illustriert, ohne platt zu wirken. Riesige Masken, die wie beim Kasperletheater auf viel zu kleinen Darstellerkörpern sitzen. Mammon ist eine fette Glatzkopfpuppe. Kostüme, in denen die 20er Jahre ebenso präsent sind wie der englische Bowler-Hat oder die venezianische Harlekinade. Einfache, spielerische Bilder: Gott der Herr ist ein Kind, das aus einer riesigen Flüstertüte spricht. Ein paar Bäume kommen vorbei. Der überlange Tod – Peter Lohmeyer glatzköpfig und ganz in kalkweiß gewandet –, trägt langsam ein totes Kind über die ganze Bühnenbreite. Die schönste Szene: Sarah Viktoria Frick als „Werke“ ist eine kleinwüchsige, unterernährte Mini-Gliederpuppe mit viel zu großem Kopf, die den sich neben ihr zusammen kauernden, wimmernden Jedermann doch zu trösten vermag. Es gibt sogar einen richtigen Toten-Tanz!
Die Ironiezeichen, die Christian Stückl setzte, sind allesamt verschwunden, der Charakter des bäuerlichen Volksstücks auch; dieser „Jedermann“ hat ein zeitgemäßes Theatergewand erhalten, seine Bildhaftigkeit fußt in englischen Traditionen und nimmt Anleihen von der Tradition bis zum Comic. Doch natürlich ist der „Jedermann“ in Salzburg mehr als ein Theaterstück mit frommer Botschaft. Er ist eine Institution, ein Ritual für die Festspielbesucher, und eine Bank für die Festspiele selbst, die mit dieser neuen Inszenierung wieder sicher jede globale Krise überstehen. Too big to fail, das gilt trotz des immer schnelleren Verschleißes von Führungspersonal, gerade in diesem Jahr, ganz sicher für den „Jedermann“.