Foto: "Das Nibelungenlied" in Leipzig © Bettina Stöss
Text:Bettina Weber, am 17. Juni 2013
Man bräuchte einen äußerst langen Atem, um die Rezeption und auch die Rezeptionsgeschichte des Nibelungenlieds auch nur zu nennen – schier unendlich ist die Liste. Mal ganz absehen von der inhatlichen Heterogenität der Adaptionen. Mario Schröder greift nun zurück auf die Sage, bezieht aber auch einzelne historische Interpretationen mit ein: Nicht Wagners Ring steht dabei – wie vielleicht zu vermuten wäre – im Raum, Teile des Stummfilms „Die Nibelungen“ von Fritz Lang (1924) werden (verlangsamt) auf zwei Projektionswände im Hintergrund übertragen. Zumal mit den Großaufnahmen der Gesichter unterstreicht er die ausdrückliche Emotionalität der Figuren, zugleich setzt er aber auch einen kontrapunktischen Gegenhebel in Bewegung: Während Langs Film den Mythos vor allem als Nationalepos inszeniert, in der die Figuren symbolhaft entrückt sind, formt Schröder in seiner Choreographie ganz plastische Figuren mit expliziten Emotionen. Im Orchestergraben wird der Tanz von Thomas Leboeg (Kante) und Andreas Haberl (The Notwist) begleitet, die in einer Melange aus avantgardistischen Piano- und Electrosounds (und weiteren Geräuscheneffekten) einen teils melodisch-warmen, teils verstörend-disharmonischen Klangteppich weben. Vor allem bei der Formung der Kriemhild und ihrer Entwicklung von der friedlich-lieblichen Prinzessin zur Rachebesessenen greifen Musik und Bewegung harmonisch ineinander. Der Effekt ist ergreifend und eingängig, weil Schröder die Figur mit verschiedenen Tänzerinnen besetzt. Das Zusammenspiel von Musik und Tanz gelingt vor allem bei den Soli und Duos, in den Gruppenchoreographien jedoch entsteht teilweise eher eine Unruhe, in der man sich mitunter gar durch das jeweils andere Medium abgelenkt fühlt.
Siegfried, dem in der Geschichte ebenfalls eine Schlüsselrolle zukommt, wird hier als Nebenfigur inszeniert. Mit Superman-Shirt und Bizeps-Prahlereien vollzieht sich diese Verschiebung seiner Figur jedoch auf eine recht plumpe Weise. Weshalb er in dieser Art beinahe lächerlich gemacht wird, bleibt offen – es ist jedenfalls nicht nötig, um die Figur Kriemhild zu stärken. Dass gerade sie zum Dreh- und Angelpunkt der Inszenierung wird, ist jedenfalls ein Zugriff, den Schröder konsequent verfolgt und sehr gelungen umsetzt.