Aber dann weitet Hilsdorf im 2. Bild des 2. Aktes die kapitalistische Kampfzone aus und macht die Räuber zu Brokern. Bildschirme flimmern, Zahlentabellen flackern, und nachdem man erfolgreich Feuer an den Dax gelegt hat, sekundieren kreischende Nutten beim Festgelage. Wenn dann ausgerechnet diese Broker das Moor’sche Schloss mit Guy-Fawkes-Masken vor dem Gesicht erstürmen – tja, dann ist die Inszenierung vollends bei der politischen Gesinnungsfolklore angekommen. Dramaturgisch hat sie schon vorher Schiffbruch erlitten, weil sie die Räuber als Broker ebenfalls zum Establishment macht und damit den handlungstragenden dramatischen Konflikt nivelliert – warum soll denn Amalia keinen Oberbroker ehelichen, nachdem die alte Form der Macht mit dem alten Moor doch ohnehin abgedankt hat? Abgedankt hat da auch Hilsdorfs Personenführung, die sich zunehmend in konventionellen Operngesten erschöpft. Da macht es dann auch keinen großen Unterschied mehr, ob Räuberhauptmann Carlo nun mit dem Dolch herumfuchtelt oder mit dem modernen Revolver dann doch noch Piff-Paff-Puff macht.
Musikalisch erlebt man einen Abend auf sehr hohem Niveau mit einem fast zu perfekten Dirigat. Srboljub Dinic, Chefdirigent am Stadttheater Bern und in Essen als Gast am Pult, interpretiert Verdis zwar konventionelle, aber durchaus kontrastreiche und um knallige Effekte selten verlegene Partitur mit einem Maximum an Delikatesse, Differenzierung und Tempodisziplin. Das klingt sehr gut, manchmal aber fast schon zu kontrolliert, ein bisschen mehr Schärfe und Feuer hätte dieser Räuberoper nicht geschadet. Aris Argiris ist als Bariton-Sängerdarsteller der Typ des kultivierten Bösewichts, der sich ganz Verdis Musikdramatik anvertraut und so eine wirklich faszinierende Franz-Kanaille charakterisiert: dunkel und edel timbriert, ausdrucksvoll phrasierend, mit einer reichen Palette an Klangnuancen. Marcel Rosca singt einen markanten alten Grafen, Liana Aleksanyan ist eine bezaubernd einfühlsame, manchmal etwas piano-zittrige Amalia, Zurab Zurabishvili liegt das Schmettern der Cabaletten mehr das Legato der Cantabiles, er ist also mehr Räuberhauptmann als zärtlich Liebender – aber immerhin! Auch sonst ist das Ensemble mit dem von Alexander Eberle einstudierten Chor stark – und so wurden denn bei der Premiere alle vom Publikum mit Bravos und Jubel gefeiert.