Die Bühne wird dabei in lässiger Manier zum Schauplatz weltanschaulicher Diskussionen. Als Nina über das Internetportal auf die Neurochirurgin Jasmin (Anne Leßmeister) stößt, glaubt sie mit ihr nicht nur eine geeignete Partie für Paul, sondern zugleich eine kompetente Medizinerin für ihr Problem gefunden zu haben. Doch der Philosoph, der übrigens als einziger noch nichts von Ninas Tumor weiß, und idealistische Kämpfer für Geist und Seele und die Rationalistin geraten aneinander. Willensfreiheit hin oder her. Als die Todgeweihte in verzweifelter Lebensgier zuletzt noch mit dem Bestatter (Oliver Jacobs) buchstäblich in die Kiste (nämlich im Totenhemdchen im Sarg) springt, überkommt auch die anderen beiden das Begehren, das ihnen ihr Gewissen jedoch versagt. Komik und Melancholie liegen in dieser Tragischen Komödie nah beieinander. Besonders delikat mutet vor allem eine Videoprojektion an: Während Nina hinter einer durchsichtigen Leinwand wie eine Leiche auf einem Obduktionstisch liegt, sieht der Zuschauer eine den gesamten Bühnenraum bedeckende Nahaufnahme ihres Gesichts. Doch das Bild ist keineswegs statisch, es wandelt sich zum Gesicht des greisen Vaters. Da er als geistig umnebelter Pflegefall ans Bett gefesselt ist, suggeriert dessen Projektion auf das Gesicht der Tochter deren grauenhafte Zukunft. Diese ist klar dem Leben zugewandt, aber zugleich einer Existenz ohne Bewusstsein. Das Ende lässt die Regisseurin zuletzt glücklicherweise offen. Dass Nina so oder so ein Tod bevorsteht, ist sicher. Nur die Frage nach dem Wie scheint eine genuin ethische zu sein. In Baden-Baden wird Philosophie lebbar und geht mit dieser fabelhaften Aufführung weit über die Bühne hinaus.