Text:Björn Hayer, am 22. April 2013
Eigentlich hatten sie alle Visionen, träumten vom eigenen Landhaus, Reichtum und Familienglück im Grünen. Die Realität in Alexander Molschanows Stück „Mörder“ sieht hingegen anders aus. Andrej, Oksana und Seka kommen alle aus dem studentischen Milieu und leiden doch an der Perspektivlosigkeit ihrer Generation in einem Russland, das der Jugend kaum etwas zu bieten. Um an Geld zu kommen und die Tristesse zu besiegen, spielt Andrej, bis ihn seine Schulden gegenüber Seka einholen.
In der deutschsprachigen Erstaufführung am Mainzer Staatstheater inszeniert Philipp Löhle die Komödie im trashigen Ost-Block-Atmosphäre. An der Hinterwand ein billiges Wandposter mit Südseepalmen und Sonnenuntergang, ein Tisch, ein Paar Stühle, eine minimalistische Requisite. Zu russischem Pop und Discolicht kommen die gescheiterten Helden auf die Bühne: Andrej (Felix Mühlen) und Seka (Zlatko Maltar) in Jogginghose und Prolo-Unterhemd, während dessen Oksana (Lisa Mies) im kurzen Rock sich schlampig auf dem Tisch räkelt. Danach geht es ums Eingemachte: Andrej soll endlich die „Knete“ herausrücken, die er seinem Spielfreund noch schuldet. Alternativ steht noch ein Mord an einem noch größeren Schuldner Sekas zur Option. Das kommt für den coolen Habenichts jedoch nicht infrage. Da bleibt nur noch Mutti, zu der es kurzerhand aufzubrechen gilt.
Was dann passiert, ist schnell erzählt. Zunächst widerwillig soll Oksana ihn auf die Reise durch Russland begleiten, beide keifen sich an und werden zuletzt doch ein Liebespaar, das durch einen klugen Coup am Ende zu reichem Gewinn kommt. Zugegeben: Molschanows Textgrundlage ist schwach, zumal schon nach der ersten Szene klar wird, dass die kaugummikauende Tussi und der Harte-Schale-Weicher-Kern-Typ Andrej über Umwege zusammenfinden werden. Dennoch hauchen die engagierten Darsteller ihren holzschnittartigen Figuren Leben ein. Insbesondere Lisa Mies spielt die Rolle einer mehr oder weniger versoffenen Tanz- und Partynudel umwerfend. Auch die Sprache zwischen Kanak Sprak und Jugendsprache, zwischen „Vollhorst“ und „Vollpfosten“, ist den beiden Kerlen geradezu ins Blut übergegangen. Ein Höhepunkt verspricht auch die Szene bei Andrejs Mutter, der die beiden eine junge Liebe vorzuschwindeln versuchen, um möglichst die Schuldensumme aus ihr herauszuleiern. Dieses Szene sind kaum an Komik zu überbieten. Bei Ankunft der beiden öffnet sich eine Tür, Rauch tritt hindurch auf die Bühne. Zu sehen ist Seka als übergewichtige, Ostblock-Hausfrau verkleidet, Herd und Kochtopf hat sie gleich umgehängt – wahrlich keine Traumschwiegermutter. Die Skepsis gegenüber Oksana ist vorprogrammiert. Aber mehr ist von solch einer klischierten Dramaturgie nicht zu erwarten. Immerhin bietet Mainz Slapstick auf, und das vom Feinsten. Gutes Unterhaltungstheater eben, mehr aber auch nicht.