Foto: Das Ensemble in der neuen Kölner "Rheinpromenade". © Sandra Then
Text:Detlev Baur, am 8. April 2013
Fritz Kumetat ist 77. Seine Frau Mia ist bereits gestorben und Tochter und Schwiegersohn warten nur auf seinen Tod. Aber Fritz will leben, der Schlossermeister fühlt sich als Schwerenöter wie früher, hat eine Beziehung zur 26-jährigen Küchenhilfe Marta. Seine asexuelle Tochter und deren verstiegener Mann, Postbeamter und Büchernarr, haben mit dem vitalen Oldie ein Problem – und die Nachbarn. Weil er auch mit der achtjährigen Nachbarstochter Ina befreundet ist, werden Unterschriften gegen ihn gesammelt. Am Ende haben sie ihn dann da, wo er für sie hingehört, Fritz liegt im Krankenhaus im Sterben.
Karl Otto Mühls „Rheinpromenade“ von 1973 war ein großer Bühnenerfolg. Längst sind die Stücke des „rheinischen Kroetz“ von den Bühnen verschwunden. Nun hat das Schauspiel Köln die „Rheinpromenade“ im Zuge seiner Bemühung um regionale Autoren und passend zur letzten Saison Karin Beiers voll entschleunigter Inszenierungen wieder ausgegraben. Die junge Regisseurin Nora Bussenius nähert sich dem alten Stück mit Respekt und ohne den Versuch, sein hohes Alter wegzuinszenieren. Die gesellschaftliche Enge der 70er Jahre gerät dadurch eher an den Rand der Bühne von Sebastian Ellrich: Vor und in einem hohen und breiten weißen Regal mit kleinen Räumen und einem Regalabschnitt voll orangener Haushaltsobjekte der Zeit spielt Martin Reinkes Fritz Kumetat vor allem ein Endspiel um Tod und Leben. Wenn er mit seiner jungen Freundin Marta (schön verschroben: Marina Frenk) beim Picknick körperliche Nähe sucht und auf große Unsicherheit stößt, sinniert er naiv über das Altern. Auch Fritz, so meint er, war einmal jung und ist gar nicht alt, weil er ja immer derselbe sei. Tatsächlich wirkt Martin Reinkes Figur nicht alt und zerbrechlich. Um so mehr leidet er unter der Schublade (unten im Großregal kommt aus Schubladen Musik) des alten Mannes. Durch ein dauerndes Alter Ego auf der Bühne, meist stumm gespielt von Hartmut Misgeld, wird das Alter dauerhaft präsent. Und es entsteht eben jene von Fritz negierte Differenz zu sich selbst durch verschiedene Altersstufen. Der andere Fritz ist es auch, der sich schon vor dem Schlaganfall auf eine Bahre legt.
All diese Aspekte über Leben, Zeit und Tod kommen durch das kraftvoll-sensible Spiel Martin Reinkes und die bewusst historisierende Regie überzeugend zum Ausdruck. Etwas undifferenzierter gerät dagegen das überaus verklemmte Ehepaar von Tochter (Birgit Walter) und Schwiegersohn (Michael Weber). Diesem Thema wollte die Inszenierung weniger überzeitliche Bedeutung abgewinnen. Dennoch passen das alte Stück und die junge Inszenierung bestens zueinander. Alte Stücke verdienen eben des Öfteren einen genauen Blick.