Foto: Szene aus "Krabat" am Stuttgarter Ballett. David Moore (Krabat), Marijn Rademaker (Meister) © Stuttgarter Ballett
Text:Claudia Gass, am 25. März 2013
Die optischen Illusionen, die die Tricktechnik herbeizaubert, sind perfekt. Aber die wahrhaft magischen Momente entstehen in dem Handlungsballett „Krabat“ mit den ureigenen Mitteln der Bühnenkünste: aus dem Tanz, dem Spiel und der Musik. Der Choreograf Demis Volpi entwirft in seinem ersten abendfüllenden Stück, das er im Auftrag des Stuttgarter Balletts kreiert hat, mit souveräner Hand großes Kino auf der Theaterbühne des Opernhauses, tut dies jedoch durch eine relativ abstrakte moderne Erzählweise, ganz ohne naturalistische Eins-zu-eins-Bebilderung.
Die Tanzsprache von Volpi ist in seinen abstrakten Stücken erfindungsreicher. Aber es gelingt ihm, das äußere und das innere Geschehen im Tanz anschaulich zu machen und die Figuren plastisch zu zeichnen. Eher zeitgenössisch ist der Stil, um die dunkle Seite von „Krabat“ zu verdeutlichen. Die Gegenwelt der Freiheit und der Liebe wird dagegen meist symbolisiert vom Schwebeleichten und der klaren Linie des Balletts. Wobei ins Extrem verzerrte klassische Formen dann auch wieder für Wahnsinn und Tod stehen. Der Choreograf versteht es, Atmosphären zu schaffen und dabei unterstützt ihn die klug ausgewählte, an Stimmungen reiche Musik von Pêteris Vasks, Philip Glass und Krzysztof Penderecki. Die im Grunde puristische und dennoch viel fürs Auge bietende Ausstattung von Katharina Schlipf trägt als weiterer künstlerischer Baustein das Stück kongenial mit.
Die Vorlage des Balletts, Otfried Preußlers berühmtes Jugendbuch um den Waisenjungen Krabat, der in eine mysteriöse Mühle und damit in die Fänge eines Meisters und seiner schwarzen Magie gerät, wurde aufs Wesentliche konzentriert. Dadurch und durch den hohen Abstraktionsgrad des Balletts wird der Kern des Romans herauskristallisiert, was der im Grunde kargen Sprache Preußlers entspricht, die, wie der Tanz im Theater, die Ausmalung des inneren Geschehens und die Aussage im Kopf des Lesers entstehen lässt.
So erzählt Volpi in seinem „Krabat-Ballett eine archetypische Geschichte um das Erwachsenwerden, den Mut zum eigenverantwortlichen Handeln, die Befreiung von Fremdbestimmung und den Verführungen durch Macht sowie die erlösende Kraft der Liebe. Das großartig tanzende Ensemble (in den Hauptrollen: David Moore, Marijn Rademaker, Sue Jin Kang und Elisa Badenes), steuert seinen Teil zu einer rundum gelungenen Uraufführung bei, die Unterhaltsamkeit und Tiefe bietet.
Die offizielle Anerkennung: Der Intendant Reid Anderson hat Demis Volpi zum Hauschoreografen des Stuttgarter Balletts ernannt, „Krabat“-Darsteller David Moore wird Solist.