Foto: Der verfielfachte Hemingway am Theater Gießen. © Rolf K. Wegst
Text:Ekaterina Kel, am 18. Februar 2013
Unter einem leuchtenden Banner im Broadway-Look, das den Imperativ „Never confuse movement with action“ trug, tanzten vergangenen Samstag zwölf Tänzer und Tänzerinnen das Leben von Ernest Hemingway. Hier wurde allerdings entgegen dem Motto tatsächlich Bewegung auf Handlung umgemünzt. Mit einer schier illustrativen Inszenierungsstrategie sind die Choreographen Tarek Assam und David Williams zu ungehemmt umgegangen.
In insgesamt neun Bühnen-Dispositiven (Bühne: Lucas Noll) und den dazugehörigen Stimmungen (Licht: Manfred Wende) stellten Assams und Williams’ eifrige Tänzer und Tänzerinnen verschiedene Stationen im Leben des Schriftstellers Ernest Hemingway dar. Eine etwas in die euphorische Musical-Schiene abrutschende Hommage an eine Biographie, die Assam schon seit langem interessierte. Reichlich versetzt mit Assoziationen, die dem Publikum ohne Möglichkeit zur Abwehr aufgetischt werden, verliert die Inszenierung im Laufe des Abends an ernsthaftem Anspruch und zwingt leider auch den choreographisch sonst starken Tanz in einen buchstäblichen Bühnen-Käfig. Die Kostümbildnerin Gabriele Kortmann hatte ohne Zweifel Mut zu kunterbunten Einfällen – bis hin zur roten Rüsche. Vor allem aber schreckte hier niemand vor dem Zuviel zurück. Jeder und jede auf der Bühne nimmt mal Hemingways Platz, mal den von einer gesichtslosen Menge mit Masken ein. Doch spätestens wenn sich die einzelnen Tänzer oder Tänzerinnen aus der Schar heraustrennen, um für kurze Zeit einen bestimmten Platz in der Erzählstruktur einzunehmen, fragt man sich: Dient Tanz hier nur dem Aussparen von Worten? Wenn alles und noch mehr gesagt ist, was bleibt dem Körper, der Bewegung und ihrer Wirkung noch übrig, als sich hinter die Handlung einzureihen?
Wo bunte Baskenmützen und Eifeltürme für Paris, und Zebrafell und Trommelwirbel für Afrika stehen, dort werden die gelegentlich aufkeimenden künstlerischen Ansätze von der enggeschnürten Inszenierung durch Eindeutigkeit erstickt. Allerdings ist den Tänzern und Tänzerinnen hierbei die hohe Professionalität keinesfalls abzusprechen. Ihre präzise gesetzten Schritte und aufwendigen Einsätze, sowie ihre stellenweise beeindruckende Bühnenpräsenz ergeben eine angenehme Mischung aus Ballett- und choreographischen Elementen. Ebenfalls lobenswert ist der tontechnische Einfall, das Geräusch einer Schreibmaschine zu einem Sound-Regen umzuwandeln, der drückend über der Schlussszene hängt, genauso wie die O-Ton-Einspielungen, die sich verstreut zwischen den Bildern einfinden und Authentizität verheißen.
Ungeachtet dessen bleibt der Abend, ähnlich der aus verschiedenen Liedern aneinandergereihten Tonspur, die eine undurchdringliche (Klang)wand vor dem Publikum errichtet, eher flach. Die eingehende Tiefe, die man sich wünscht, bleibt ein seltener Gast. Auf der überrepräsentierten Oberfläche aus Sentimentalitäten und zu oft gesehenen klischeehaften Bildern hinterlassen die Eindrücke eine überschaubare Spur.