Foto: Ein getanzter Beitrag zum Wagnerjahr: "Ich, Wagner. Sehnsucht!" am Theater Regensburg © Ralf Mohr
Text:Vesna Mlakar, am 28. Januar 2013
Was für ein ambitioniertes Projekt! Einen Genius wie Richard Wagner in Tanz fassen? Warum nicht, dachte sich Regensburgs Theaterintendant Jens Neundorff von Enzberg. Gilt es 2013 doch, den 200. Geburtstag des Künstlergiganten zu feiern. Und ein Ballett zu dessen Ehren hat so sonst keiner im Programm! Am 26. Januar hatte „Ich, Wagner. Sehnsucht!“ unter Mitwirkung des Philharmonischen Orchesters (am Pult: Philip van Buren) im Theater am Bismarkplatz Premiere.
Obwohl erst seit Saisonbeginn Herr über ein eigenes Ensemble, nahm Yuki Mori die Herausforderung an, sich dem komplexen Jubilar choreografisch zu nähern. Dabei hatte den 35-Jährigen Japaner, der immer noch regen künstlerischen Kontakt zu seiner Heimat hält, bisher kaum etwas mit dem deutschen Komponisten verbunden. Wagners Musik und sein Themenkosmos waren weder Schwerpunkt seines Ziehvaters John Neumeier (an dessen Schule Yuki seine Ausbildung abschloss), noch Inspiration für Daniela Kurz oder Stephan Thoss, unter deren Leitung Mori zuerst in Nürnberg, dann in Hannover und Wiesbaden bis zu seinem Amtsantritt als Ballettchef in Regensburg tanzte. Von allen Dreien aber hat er handwerklich eine ganze Menge gelernt, und sich damit gut gerüstet der schweren Aufgabe – vielleicht absichtlich mit einem Hauch „egoistischer Naivität“ (wie sonst könnte man Wagner begegnen?) und beachtenswertem Resultat – gestellt.
Für eingefleischte Wagnerkenner womöglich zu simplifizierend, dennoch clever destillierte er aus Wagners Biografie lediglich fünf markante Schlüsselfiguren, die er seinem sportiven, rastlos erfolgsehrgeizigen Hauptprotagonisten (Hingucker von tragender Persönlichkeit: Claudio Costantino) in dramaturgisch sich überlappenden Szenen hinzugesellte: die beiden Wagnerfrauen Minna (Andrea Vallescar) und Cosima (Caroline Fabre), das Wesendoncksche Gönnerpaar Mathilde (Ina Brütting) und Otto (Riccardo Zandoná) sowie Wagners großen Mäzen Ludwig II. (Alessio Burani). Während Letzterer jedoch eher als stiller Strippenzieher im Hintergrund auf Wagners Weg nach Bayreuth fungiert, gelingt es Yuki Mori im emotional knisternden Umgang mit Soli, Pas de deux, Dreier- bzw. Viererkonstellationen aus den wagnerschen Frauenbeziehungen Vielschichtigkeit herauszumodellieren.
Seine Figuren kommunizieren miteinander, auch wenn sie sich voneinander entfernt bewegen – wie Wagner und Mathilde in der von Claudia Doderer geschaffenen Villa Wahnfried-Atmosphäre, wobei zwei andere Tänzer (Ljuba Avvakumova und Shota Inoue) ihre auch körperlich magnetisierende Leidenschaft und unerfüllbare Liebe visualisieren. Erzählsicher präsentiert sich hier ein Choreograf, der klug zu besetzen, sich einfallsreich zu artikulieren und effektsubtil (mal sonorer Orchesterklang, mal träumerisches Klaviergetuschel) mit Musik von Wagner nebst der von Zemlinsky und Chausson umzugehen weiß.
Ensemblegruppen in gesellschaftlich festlicher oder existenzbedrohender Funktion, die dem Geschehen gezielt hinzuschießen, treiben die Handlung voran. Nach dem ersten Teil allerdings bricht Yuki Mori diese selbstbewusst ab. Sphärisch betörend zu Vorspiel und Karfreitagszauber aus „Parisfal“ endet sein Stück nahezu abstrakt: mit einem Wagner als in sich gekehrtem Visionär.