Der Blick der Kamera ist allen längst innewohnend. Und auch die Zuschauer, welche die Wohnzimmerbühne umgeben, sind mit der Kamera live dabei. So auch, wenn „Angst-Junkie“ joggen geht und die fettleibige Sofaheldin, fabelhaft gespielt von Gertrud Kohl, behebig zur Kamerafrau wird. Zwischen Kunstblumen kommt der Home-Trainer in Fahrt. Wild gestikulierend kommentiert der Besserwisser mit Mikrofon den Ekel der Läuferin vor allen Dicken, die der dritten Welt ja ohnehin nur das Brot wegessen.
Während das kuriose Trio immer wieder versucht, die Geschichte eines gelingenden Lebens zu erzählen, schwenkt die Kamera zu einem jungen Paar in der Beziehungskrise. Hygienehysterie und Kontrollwahn der Partnerin treiben den jungen Vater in die Verzweiflung. Als ein Streit um Kindersicherungen eskaliert, entlädt der Mann (Roman Konieczny) seine Wut im Tabubruch: Sexgeil springt er die Kamerafrau an, greift berauscht nach fettigen Keksen und Zigaretten.
Es ist der Druck der Medien mit ihren „Exklusionsmechanismen“, es ist die Kamera, die bis in die Toilette vordringt, es ist das Fernsehen, das hysterisch vor zu hohem Körperfett warnt und darauf hinweist, „dass radikale Muslime tödlich sind“. Zu sehen ist ein luzides Pastiche, das den Medienpessimismus einer Elfriede Jelinek und Adornos Kulturkritik in einen satirischen Faltenwurf vom Feinsten vereint. Konzentriert kreist das Stück um die „wandelnde Leere“ einer Generation, die Privatheit zuletzt nur in der Psychiatrie erfahren kann. Dort träumt die zermürbte Fitnesssklavin von einem Dasein als begehrte Kurtisane, die Ludwig den XVI in Versailles zum Orgasmus geleitet. Doch auch diese Blase zerplatzt, als die Revolutionäre bereits vor den Schlosstoren stehen. Schauerlich ist die Öffentlichkeit im Innersten präsent. So klingt das bissige Drama in melancholischen Tönen aus – und damit auch eine Sternstunde des Saarbrücker Staatstheaters!